JENNI ZYLKA über PEST & CHOLERA
: In einem auffälligen Curry-Hepatitis-Ton

Früher stand die Gebissfarbe noch nicht zur Debatte, neuerdings sind gesunde, naturgelbe Zähne aber furchtbar out

Wenn die Restauratorin aus der Fernsehwerbung mir noch einmal erzählt, dass sie „eine Menge von Verfärbungen versteht“, dann geh ich los und kauf mir auch das verdammte Zahnweiß-Zeug, das fast den gleichen Namen trägt wie dieses moderne Punkrockduo, von dem angeblich keiner weiß, ob es aus Bruder und Schwester oder einem Ehepaar besteht. Ein selten dummer Marketingtrick übrigens.

Heutzutage muss man jedoch frühzeitig zusehen, dass man an seinem dentalen Erscheinungsbild arbeitet. Gesunde, naturgelbe Zähne sind furchtbar out, da kann meine sympathische Zahnärztin, die immer im Nebenbehandlungsraum eine rauchen geht, bis die Betäubung wirkt (das merkt man an ihren schwach nach Nikotin duftenden Fingern in den Hygienehandschuhen), noch so sehr gegen den Trend zu weißeren Zähnen wettern: Weiße Zähne sind der Schlüssel zum Erfolg, das vertellt die Werbung neuerdings mit Vorliebe. Wahrscheinlich hat die Zahnindustrie nur gemerkt, dass altmodischer Pflege-Krimskrams wie Hightech-Zahnbürsten oder Zahnkaugummis keinen potenziellen Käufer mehr hinter dem Ofen hervorlockt. Darum hat sie ihr Ressort um das Feld „Farbe“ erweitert.

Früher stand die Gebissfarbe in der Öffentlichkeit noch gar nicht zur Debatte. Das habe ich gemerkt, als ich neulich eine bezaubernde alte „Musikladen“-Folge aus den Siebzigern inhalierte: Nach Captain Beefheart in den hässlichsten Klamotten, die je ein genialer Gitarrist auf dieser Welt getragen hat, und nach den noch grässlicher angezogenen Slade mit meinem Lieblings-Slade-Stück „Gudbuy t’Jane“ kam eine Band mit einem quittengelb aus dem Mund leuchtenden Sänger. Dazu hatte der komische Kauz tüchtig Kajalstift aufgetragen, ein indisches Hippietuch um den Hals geschlungen und ein Flatterhemd locker über die kleinen Apfelbrüste geworfen. Nach ein paar Minuten merkte ich, dass es sich um Inga Rumpfs Band „Frumpy“ handelte, bei der Inga Rumpf offensichtlich noch aussah wie ein gelbzahniger, dünner, androgyner Gammler. Im Nachhinein, während ich die Info verzweifelt zu verdrängen versuche, dass Frau Rumpf seit einigen Jahren am liebsten bei Kirchentagen und in Gospelzusammenhängen auftritt, finde ich sie natürlich damals sympathischer als heute. Doch nun genug von Inga Rumpf. Sie kennt Udo Lindenberg persönlich, und allein dafür müsste man sie schon mit Missachtung strafen.

Die allerallergelbsten Zähne, Zähne, gegen die Inga Rumpfs Siebziger-Leiste gleißend weiß aus dem Fernseher herausstrahlte, habe ich allerdings an einer mysteriösen Mumie gesehen, die vor einiger Zeit in Asien entdeckt wurde. Das Mysteriöseste an der Mumie war, dass sie über zwei Meter maß und riesengroße Füße hatte, und wer sich nur ein bisschen mit Mumien auskennt, weiß, dass eine über zwei Meter große, vertrocknete Mumie als lebendiger, im vollen Saft stehender Mensch noch einen Zacken größer gewesen sein muss. Nun stammte jene Mumie aber anscheinend laut Kohlenstoff-Analyse aus einer Prä-Marco-Polo-Zeit, und das bedeutet: Irgendein riesengroßer Mensch war lange vor dem ersten Europäer schon mal in Asien. Wer kann das gewesen sein? Wo der gemeine Asiat doch nur sehr selten über zwei Meter groß wird, und, wie meine großfüßigen und weitgereisten Freundinnen berichten, auch in der Schuhgröße unterhalb der 39 bleibt, was jenen Freundinnen in gewissen Ländern große Schwierigkeiten mit der Hausschlappenversorgung bereitete. Welcher Europäer mit Schuhgröße 49 und Zähnen in einem auffälligen Curry-Hepatitis-Ton bereiste vor dem 13. Jahrhundert Asien und machte dort derart Eindruck, dass man ihn nach seinem Tode sorgfältig einbalsamierte?

Wie gerne würde ich aus aktuellem Anlass jetzt einem der neuen EU-Mitgliedstaaten-Bewohner diese Ehre zuteil werden lassen. Aber ich vermute doch irgendwie, dass es ein Riesen-Skandinavier war. Obwohl die Zigaretten dort so teuer sind und ich mir darum für die Gelbfärbung der Zähne schnell noch irgendeine andere Erklärung ausdenken muss.

Fragen zu Inga Rumpf? kolumne@taz.de Morgen: Bettina Gaus über FERNSEHEN