Adscharien fordert Tiflis heraus

Der Chef der autonomen Schwarzmeerrepublik, Aslan Abaschidse, lässt zwei Brücken sprengen und die Bahnverbindungen nach Georgien kappen. Die Zentralregierung in Tiflis unter Präsident Michail Saakaschwili antwortet mit einem Ultimatum

AUS MOSKAU KLAUS-HELGE DONATH

Es brodelt mal wieder in der Kaukasusrepublik Georgien. Am Wochenende ließ der bislang unangefochtene Chef der autonomen Republik Adscharien, Aslan Abaschidse, zwei Brücken über den Fluss Tscholoki sprengen und die Eisenbahnverbindungen zum georgischen Mutterland bei Kobuleti und Zichisdsiri unterbrechen. Damit ist die kleine Schwarzmeerrepublik an der Grenze zur Türkei endgültig von der Außenwelt abgeschnitten.

Abaschidse führt die autonome Republik seit mehr als einem Jahrzehnt nach dem Vorbild eines orientalischen Potentaten. Die Unterbrechung der Verbindungen begründete er als „präventive Maßnahme“. Georgische Truppen hatten in der Nähe Adschariens seit dem 30. April Manöver abgehalten.

Das war nicht die erste Drohgebärde der Zentralregierung in Tiflis unter Führung von Präsident Michail Saakaschwili. Vor den Parlamentswahlen im März hatten Einheiten der Zentralregierung eine Blockade über die Region und den Hafen Batumi verhängt. Damals weigerte sich Abaschidse, in seinem Machtbereich Wahlen nach Vorgaben des Zentrums abhalten zu lassen. Inzwischen ordnete Saakaschwili an, das im Manöver eingesetzte Militärgerät aus der Grenzregion zu Adscharien abzuziehen und stellte dem widerspenstigen Adscharen ein neues Ultimatum: zehn Tage habe dieser, um Gewalttätigkeiten gegenüber Opponenten einzustellen, die gesetzmäßige Ordnung wiederherzustellen und die Abgabe der illegal verteilten Waffen zu veranlassen. Sollte die Führung in Batumi dem nicht nachkommen, wolle Tiflis die Volksvertreter Adschariens absetzen und Neuwahlen ausschreiben.

Abaschidse hat unter seinen Anhängern bereits vor Monaten Waffen verteilen lassen. Der Potentat wusste, dass der neue Präsident in Tiflis die Widerspenstigkeit des Adscharen auf Dauer nicht dulden werde. Nicht zuletzt beruht die Selbstherrlichkeit des Abkömmlings eines adscharischen Fürstengeschlechts auf der wirtschaftlichen Unabhängigkeit. Tiflis wirft Batumi vor, Zolleinnahmen aus dem Hafen und dem Grenzübergang zur Türkei nicht an das Zentrum abgeführt zu haben.

Überhaupt kursieren viele Gerüchte über dunkle Geschäfte des Abaschidse-Clans. Saakaschwili sind unterdessen die Hände gebunden. Als neuer Präsident und Vertreter der jungen, westorientierten Generation muss er sich hüten, einen neuen Konflikt vom Zaun zu brechen. Die Sezessionskriege in Abchasien und Nordossetien haben den Kaukasusstaat bereits in den 90er-Jahren mehrfach an den Rand eines Kollaps getrieben. Unter tätiger Beihilfe Russlands, das sich mit der Unabhängigkeit Georgiens nicht abfinden will. 3.000 russische Soldaten stehen in Adscharien, auf deren Unterstützung sich Abaschidse bisher verlassen konnte. Der ehemalige Oberkommandierende der russischen Truppen im Transkaukasus, General Netkatschew, soll es auch gewesen sein, der im Auftrag Abaschidses die Brücken zu Georgien abgebrochen hat.