Frankreich schiebt Imame ab

Fünf muslimische Geistliche wurden in diesem Jahr bereits des Landes verwiesen

PARIS taz ■ Imame abschieben – das ist gerade die meistbeachtete Beschäftigung des französischen Innenministers Dominique de Villepin. Wenige Tage nachdem er einen muslimischen Geistlichen, der in einer Vorstadt von Lyon „harte Schläge auf den Unterleib“ von „untreuen“ Ehefrauen sowie die Polygamie gerechtfertigt hatte, im Eilverfahren nach Algerien bringen ließ, brachte der Minister am Wochenende einen türkischen Religiösen aus Paris in Abschiebehaft.

Midhat Güler wird vom Innenministerium als Verantwortlicher einer „extremistischen islamistischen türkischen Bewegung“ bezeichnet, die „für den Einsatz von Gewalt und Terrorismus“ sei. Er ist der fünfte unliebsame Imam, den Frankreich seit Jahresanfang ins Ausland loszuwerden versucht. Zusätzlich wurden mehrere Gebetsstätten, in denen nach Polizeierkenntnissen gegen das französische Gesetz verstoßen wurde, vorübergehend geschlossen.

Angehörige des in Abschiebehaft sitzenden Güler (45) bestreiten, dass er etwas mit der in Deutschland verbotenen „Kaplan-Bewegung“ zu tun habe. Güler, der seit 28 Jahren in Frankreich ist und seinen Lebensunterhalt als fliegender Händler verdient, hat in der Abschiebehaft einen Asylantrag gestellt.

Der Innenminister hält mit dieser neuen Abschiebung an einer Linie fest, die in den vergangenen Tagen auf Kritik gestoßen ist. Einzelne Sprecher von muslimischen Gemeinden erklärten, dass die Abschiebungen Ressentiments auslösen und verstärken könnten. Andere wiesen darauf hin, dass etwaige Gesetzesverstöße muslimischer Religiöser vor französische Gerichte gehörten. Auch die Justiz mischte sich ein. Sie entschied, dass die Eil-Abschiebung von Imam Abdelkader Bouziane aus der Lyoner Vorstadt Vennissieux nach Algier im April nicht rechtens war. Dennoch pocht der Innenminister darauf, dass dessen Entfernung aus Frankreich richtig war.

Parallel zur Abschiebung des Imams hat de Villepin Kontakte zu den im vergangenen Jahr von einem Teil der muslimischen Gläubigen gewählten Sprechern der muslimischen Gemeinden in Frankreich aufgenommen. Am Samstag wies er die Mitglieder des „französischen Rats des muslimischen Kultes“ (CFCM) auf ihre Verantwortung für den Erfolg von radikalen Strömungen in ihren Gemeinden hin.

Tatsächlich repräsentiert der CFCM nur einen kleinen Teil der 1.500 registrierten muslimischen Gebetsstätten Frankreichs. Auf die Imame, die an diesen Gebetsstätten tätig sind, hat der CFCM nur in wenigen Fällen Einfluss. Die meisten von ihnen werden aus dem Ausland finanziert. Manche von ihnen kennen weder die französische Gesellschaft, noch sprechen sie die Sprache. Der von der Regierung als Präsident des Muslimrates eingesetzte Rektor der Pariser Moschee, Dalil Boubakeur, erklärte gestern Mittag nach einem Gespräch mit Premierminister Jean-Pierre Raffarin, es sei wichtig, dass Frankreich selbst die Ausbildung von Imamen organisiere. DOROTHEA HAHN