feiertage
: Die Nation seufzt – und faulenzt

Schon seit zwei Monaten geht das so. Karfreitag, Ostern, 1. Mai, Himmelfahrt, Pfingsten – und heute in vielen Bundesländern Fronleichnam: Kaum eine Woche vergeht, die nicht durch einen Feiertag zerschnitten wird. Nicht nur an den Tagen selbst ruht das Land, sondern auch an den „Brückentagen“ zwischendurch. Behördengänge kann man nicht erledigen, Urlaubsquartiere sind ausgebucht, Züge überfüllt und Autobahnen verstopft. An den verbleibenden Arbeitstagen drängeln sich dann genervte Konsumenten in den Supermärkten, um noch schnell das Lebensnotwendige einzukaufen.

Kommentar von RALPH BOLLMANN

Es ist gut, dass Wirtschaftsminister Wolfgang Clement endlich eine Debatte über diesen Wahnsinn angestoßen hat – wenn auch aus den falschen Gründen. Dass ein paar Feiertage weniger wirklich die Konjunktur ankurbeln, bezweifeln seriöse Wirtschaftsforscher zu Recht. Aber die Kirchen, die an den arbeitsfreien Tagen so vehement festhalten, sollten einmal ehrlich die Fragen beantworten: Wie viele Bundesbürger wissen überhaupt, was sie an Fronleichnam oder dem kirchengeschichtlich so wichtigen Pfingsten feiern sollen?

In einer Gesellschaft, in der gläubige Christen nur noch eine Minderheit ausmachen, wirken die vielen kirchlichen Feiertage höchst antiquiert. Zur Erinnerung an abendländische Traditionen genügen Weihnachten und Ostern. Bei den übrigen Festen wäre es besser, sie durch zusätzliche Urlaubstage zu ersetzen – und jeden Bürger nach seiner Façon selig werden zu lassen.

Das Grundproblem, das hinter der deutschen Debatte über Urlaubszeit und Feiertage steckt, wird sich damit allerdings nicht lösen lassen. Das protestantische Arbeitsethos wirkt nach, die meisten Deutschen sind von einem gelassen-positiven Verhältnis zu ihrem Tagwerk weit entfernt. Noch immer empfinden sie Arbeit als Pflicht, heute allerdings als lästige – mit der Folge, dass ein ganzes Land sehnlichst auf den sechswöchigen Jahresurlaub wartet und sich während der übrigen 46 Wochen todunglücklich fühlt.

Eine solche Mentalität lässt sich freilich auf dem Weg der Gesetzgebung nicht abschaffen. Das weiß auch Kanzler Gerhard Schröder, der Clements Vorstoß nach dessen eigenen Worten „recht zurückhaltend“ aufgenommen hat. Den Umbau des Sozialstaats mögen die Bundesbürger noch ertragen. Eingriffe bei Urlaub und Feiertagen sind dagegen das Einzige, was die braven Deutschen mit Gewissheit auf die Barrikaden treibt.

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