urdrues wahre kolumne
: Ohne Herz und Verstand

Ein dreifach’ Hoch bestimmt nicht dem ortsüblichen Sanitätsgefreiten, aber unbedingt den Verfassern der neuen Broschüre „Rüstungsstandort Bremen“ hiesiger AntimilitaristInnen! Ich empfehle, dieses Druckwerk über die Mordsgeschäfte von Lürßen, STN Atlas und dem Rest des Packs in den Reisekoffer zu stecken, damit es der hanseatische Tourist in Ruhe lesen kann, wenn er irgendwo auf dieser Welt im Urlaub zum Opfer irgendwelcher Desperados wird und dann im Krankenhausbettchen mit dem Tode und vielleicht auch der Frage ringt „Warum nur, warum?“ Die Antwort ist dabei so einfach: Das kommt von das! Wer solche Verbrechen an den Kindern dieser Welt ganz ohne sonderliche Skrupel betreibt, zulässt oder auch nur in Kauf nimmt, wird über eigenes Ungemach kaum jammern dürfen.

Nun mag man sich ja bei Familie Grün in Bremen darüber freuen, dass der Kelch der Regierungsbeteiligung in unserem Kirchspiel noch einmal an der Sippe vorbeigegangen ist: Soll man aber deshalb gleich so übermütig werden wie Karo Linnert und der großkoalitionären Sozialpolitik unterstellen, sie werde „ohne Sinn und Verstand“ gemacht? „Ohne Herz und Verstand“ hätte es vielleicht heißen können, denn Sinn macht es im Bund ebenso wie im Land, die Armen zu zwacken und zu würgen, wenn man selbst zu den Siegern der Geschichte gehört und endlich Beute machen will. Der böhse Unionsonkel Bernd E. Neumann jedenfalls spricht im Kampf gegen die parasitären Elemente aus dem Kreis der Sozialhilfeempfänger schon mal vom „Anlegen einer harten Messlatte“ – und wenn der Kerl harte Latte sagt, dann meint er’s auch!

Die strahlend blonde Werbedame im Supermarkt mit dem Gratisausschank von Mineralwasser mit und ohne Geschmack wird von einer älteren Kundin gebeten, ihr noch einen zweiten Plastikbecher einzuschenken, weil: „Ich muss meine Herztropfen noch einnehmen.“ In der Antwort aber zeigt sich absolut unterentwickelte Herzensbildung: „Meinense, das bringt noch viel? Rentner gibt es doch genug!“ Was Rürup lehrt, begreift inzwischen jedes Rübensüßchen!

Die Lektüre des taz-Beitrags „Luigi Brutaletti“ über die Misshandlung eines Nordafrikaners durch BSAG-Bedienstete macht mir im Nachhinein noch klar, welch fatalen Konsequenzen ich kürzlich entgangen bin, als ich so einem forschen Bengel ohne jedes Schuldbewusstsein die geforderten 40 Euro in die Hand drückte. In letzter Sekunde hatte ich den 26er Bus in Richtung Walle mit vier prall gefüllten Reisetaschen und -tüten erreicht, setzte diese auf der Rückbank ab und ging dann mit der Scheckkarte zum Fahrkartenautomaten, wo aber schon der feixende Kontrolleur stand. Selbst als ich ihm per Bahnfahrkarte belegte, dass ich gerade drei Minuten zuvor mit dem Zug von Hannover gekommen war, grinste er nur mit jenem hämischen Bedauern, das im Prinzip Backenfutter ohne Ende verdient : „Tut mir leid – der Fall ist klar!“ Warte Bursche, solche Unverschämtheit bestraft sich im Leben immer noch von selbst! Vermutlich lässt sich Deine Freundin noch in diesem Sommer auf Deine Kosten ein Tatoo von Deinem Lieblingsstecher auf den Pöter nadeln und auf dem Schmetterling leuchtet stolz der Name Deines alten Kumpels Porky. Schau Dir mal die Schramme an Deinem fabrikneuen Hyuandai an, für den Du Dich so elend verschuldet hast, und denk an mich, wenn Deine nächste Grillparty im Platzregen ersäuft – tut mir leid, der Fall ist klar!

Bei der Eisdiele an der Vegesacker Straße drängelt sich ein athletischer Inliner mit der bemerkenswerten Begründung vor, er hätte schon vor zehn Minuten beim Arzt sein müssen. „Glaub ich nicht!“ hält ihm (trotzdem verzeihend) entgegenUlrich
„Straciatella“ Reineking