Naturschutz in Zeiten leerer Kassen

Das Land Brandenburg will sein weit reichendes Naturschutzgesetz novellieren. Gemeindebund fordert Entbürokratisierung. Umweltschützer fürchten das Aus für Bürgerbeiräte, die bisher Vetorecht haben, und Mittelstreichung bei Naturschutzstationen

von HEIKE HOLDINGHAUSEN

Brandenburg muss sparen – und spart demnächst wohl am Naturschutz. Während die rot-schwarze Landesregierung in Klausurtagungen nach Wegen aus der Finanzkrise des Landes sucht, wandert der Entwurf eines novellierten brandenburgischen Naturschutzgesetzes durch Ministerien und Lobbyistenhände – und sorgt dort für heftigen Unmut. Noch viel zu viel Naturschutz – klagen die einen, gar keiner mehr – die anderen. So erkennt Karl-Ludwig Böttcher vom brandenburgischen Städte- und Gemeindebund „nicht mehr zeitgemäße Reglementierungen“ – „Kahlschlag im Naturschutz“ hingegen befürchtet Rüdiger Herzog vom Nabu Berlin-Brandenburg. Der Streit entzündet sich daran, ob sich Brandenburg künftig weiterhin mehr Naturschutz leisten will, als der Bund vorschreibt.

In Frage stehen die Mitwirkung und Kontrolle der Bürger an Verwaltungsentscheidungen sowie die Naturschutzstationen. Derzeit besteht für Kreise und Städte die Pflicht, Gremien aus fachkundigen Bürgern einzuberufen, die die unteren Naturschutzbehörden kontrollieren. Böttcher ist besonders ihr „qualifiziertes Widerspruchsrecht“ ein Dorn im Auge. Es erlaubt ihnen, gegen Verwaltungsentscheidungen ein Veto einzulegen, die den Natur- oder Landschaftsschutz betreffen. Die Entscheidung muss dann dem Umweltministerium zum endgültigen Urteil vorgelegt werden. Bürokratisch, wirtschaftsfeindlich, vorgestrig, findet Böttcher.

Umweltschützer Bernhard Kneiding hingegen lobt die Beiräte, hält sie für ein gutes Scharnier zwischen Verwaltung und Bevölkerung. Er leitet die Arbeitsgruppe untere Naturschutzbehörde in Potsdam. Mit den Experten, die ihn kontrollieren, hat er bislang keine Probleme gehabt. Im Gegenteil: „Offene Verfahren mit Bürgerbeteiligung sind kürzer“, sagt er, „wird die Bevölkerung nicht von vornherein einbezogen, macht sich ihr Ärger anders Luft, etwa in Bürgerinitiativen.“

Bisher haben die Beiräte von ihrem Vetorecht sowieso nur spärlich Gebrauch gemacht: Von 1998 bis 2002 haben sie es bei 5.200 Verwaltungsentscheidungen gerade 64-mal eingesetzt – in 17 Fällen gab ihnen das Umweltministerium Recht. Dabei geht es um Stege, die an Seeufern mit seltenen Wasserpflanzen gebaut werden, Gaststätten, die sich in der Nähe von Kranich-Rastplätzen ansiedeln, oder um Straßen, die durch den Lebensraum von Fischottern führen. Die Existenz der Beiräte hat vor allem präventiven Charakter: Die Verwaltung bezieht den Protest der Naturschützer von vorneherein in ihre Überlegungen ein.

Künftig hat sie weitere Erleichterungen in Aussicht: Die Verbandsklage soll fallen, also das Recht der Naturschutzverbände, quasi im Namen der Natur deren Belange vor Gericht gegen die Verwaltung zu vertreten. „Künftig können die Behörden in Naturschutzgebieten beinahe machen, was sie wollen“, klagt Rüdiger Herzog. Auch die Naturschutzstationen, in denen sich der biologische Sachverstand der Landesregierung bündelt, sollen nach dem Entwurf von Umweltminister Wolfgang Birthler (SPD) ihren Gesetzesrang verlieren – es ist zu befürchten, dass damit auf Dauer ihre Finanzierung unsicher wird.

„Die Novellierung des Gesetzes ist notwendig und sinnvoll“, sagt Herzog, „aber sie kommt zur Unzeit.“ Derzeit stehe jede Entscheidung der Regierung unter den Schreckgespenstern Haushaltsloch und Wirtschaftskrise. So ist das Umweltministerium bemüht, wenigstens die wichtigsten Standards zu retten – und hat offenbar sogar dabei einen schlechten Stand.

Zwar weist Ministeriumssprecher Jens-Uwe Schade die Darstellung zurück, das Gesetz stünde einzig unter dem gegenwärtigen Spardiktat. Aus Brandenburgs Staatskanzlei allerdings sind andere Töne zu vernehmen. Sie kritisiert, dass der Gesetzesentwurf die angespannte Lage im Landeshaushalt nicht genügend berücksichtige, und fordert einen weiteren Abbau von Regelungen. In denen kennt sich der Chef der Staatskanzlei, Rainer Speer, gut aus. Als Staatssekretär des damaligen Umweltministers Matthias Platzeck hat er sie einst mit entwickelt. Bis zur Sommerpause will das Umweltministerium den Gesetzentwurf dem Landtag vorlegen.