zuwanderung
: Notwendige Notbremse

Die Grünen haben Mut bewiesen. Endlich. Nach vier Jahren quälender Debatte und kontraproduktiven Verhandlungen mit der Union um ein Zuwanderungsgesetz hat der kleinere Koalitionspartner die Notbremse gezogen. Der einseitige Rückzug der Grünen verdient Respekt. Er verhindert ein Gesetz, das, träte es in Kraft, inzwischen mehr schaden als nutzen würde.

KOMMENTAR VON LUKAS WALLRAFF

Der Einwurf, die Grünen hätten zu wenig Kompromissbereitschaft gezeigt, ist absurd. Das Gegenteil trifft zu: Sie zeigten zu lang zu viel davon. Zur Erinnerung: Drei Ziele hatten SPD und Grüne ursprünglich anvisiert. Eine bessere Integration, moderne Regeln für die Arbeitsmigration und ein humanitäres Flüchtlingsrecht. Keines dieser Ziele war mit der Union zu erreichen, trotzdem wurde weiterverhandelt. Alle innovativen Teile des Gesetzes – etwa das Punktesystem für Neueinwanderer oder der Rechtsanspruch auf Integration – sind längst rausgeflogen. Stattdessen versuchte die Union, weitere Verschärfungen ins Ausländerrecht hineinzuverhandeln – mit tatkräftiger Unterstützung von Innenminister Otto Schily. Hätten die Grünen auch dabei noch mitgemacht, wäre aus dem Zuwanderungsgesetz endgültig das geworden, was die Union von Anfang an wollte: ein Zuwanderungsbegrenzungs-, Abschottungs- und Abwehrgesetz. Dazu Nein zu sagen ist keine „Provokation“, wie es Schily jetzt nennt, sondern schlicht Pflicht der Grünen, um halbwegs glaubwürdig zu bleiben.

Der Versuch, zur Einwanderung eine Allparteienkoalition zu bilden, war zunächst ein ehrenwertes Unterfangen. Was wäre schöner als ein Konsens in dieser Frage? Ein Konsens, der ein für alle Mal verdeutlicht hätte, dass Deutschland Einwanderungsland ist und bleiben will. Doch dazu, das hat die jüngste Vergangenheit gezeigt, ist die Union noch nicht in der Lage. Also muss Rot-Grün versuchen, allein weiterzukommen.

Das Scheitern der Verhandlungen ist keine Katastrophe, weder für die Koalition noch für die Einwanderungspolitik. Die Regierung kann auch ohne die Stimmen der Opposition im Bundesrat eine Menge tun: den Schutz vor nichtstaatlicher Verfolgung erleichtern, die Lage von Kriegsflüchtlingen verbessern, ein Integrationsgesetz durchbringen. Eine Katastrophe ist das Ende der Gemeinsamkeit nur für Schily. Es sieht so aus, als müsste er seine Laufbahn ohne den Eintrag „Vater des Zuwanderungsgesetzes“ beenden. Schade für ihn, gut für die Republik.