Grüne wandern aus

Parteichef Bütikofer erklärt die Verhandlungen über das Zuwanderungsgesetz für gescheitert. Innenminister Schily spricht von ernster Koalitionskrise. SPD will mit Union weiterverhandeln

BERLIN taz ■ Für die Grünen sind die Verhandlungen zwischen Regierung und Opposition über ein Zuwanderungsgesetz gescheitert. Die Spitzengremien der Partei seien zu dem Schluss gekommen, dass „eine Fortsetzung der Gespräche keinen Sinn macht“, teilte Parteichef Reinhard Bütikofer gestern mit: „Das Spiel ist aus.“ Der Länderrat der Grünen soll am kommenden Samstag die offizielle Entscheidung treffen.

Einen Tag vorher jedoch müssen sich die Grünen noch mit der SPD zu einer Koalitionsrunde zusammensetzen. Das dürfte ungemütlich werden. Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) erklärte gestern, es stehe den Grünen nicht zu, einseitig die Verhandlungen aufzukündigen. Die Haltung der Grünen sei „provokant“, sagte Schily. „So kann man mit einem Koalitionspartner nicht umgehen“, schimpfte er und sprach von einer „ernsten Krise in der Koalition. Jedenfalls was meine Person angeht.“

Am Wochenende war eine zweitägige Gesprächsrunde von Regierung und Opposition erneut gescheitert. Seit Monaten hatte eine Arbeitsgruppe des Vermittlungsausschusses versucht, eine Einigung über ein Zuwanderungsgesetz zu erzielen – ohne Erfolg. Die Union lehnte eine Zustimmung ab, obwohl die Regierung bereits auf wesentliche Teile ihres Gesetzentwurfs verzichtet hatte. So wurden das Punktesystem zur Einwanderung und der Rechtsanspruch auf Integration gestrichen.

Seit den Anschlägen von Madrid im März verlangten CDU/CSU weitere Verschärfungen. Schilys Vorschlag, Terrorverdächtige in „Sicherungshaft“ zu nehmen, hatte die Verhandlungen weiter erschwert: Die Union machte sich die Idee zu Eigen, Grüne und FDP sperrten sich.

Gestern kündigte Bütikofer an, die Grünen wollten nun mit der SPD darüber reden, ob man einzelne Gesetze zur Zuwanderung einbringen könne. Als Beispiele nannte er Regeln zur beschleunigten Abschiebung, die Anerkennung nichtstaatlicher Verfolgung, ein Integrationskonzept und Regelungen zur erleichterten Aufnahme hoch qualifizierter Arbeitskräfte. Dies könne die Koalition ohne Zustimmung des Bundesrats realisieren. Davon will die SPD jedoch bisher nichts wissen. Außer Schily erklärten auch die SPD-Politiker Franz Müntefering und Dieter Wiefelspütz, sie wollten mit der Union weiterverhandeln. Es sei „nicht gerechtfertigt, die Sache jetzt zu beenden“, sagte Wiefelspütz der taz. Unionsfraktionsvize Wolfgang Bosbach (CDU) regte an, die Verhandlungen ohne die Grünen fortzusetzen. UWI, LKW

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