der kommentar
: Gott braucht nicht alle Kirchtürme

In Berlin wird erstmals eine nach dem Zweiten Weltkrieg gebaute Kirche abgerissen. Was als Zeichen wachsender Säkularisation gedeutet werden kann, ist aber keines: Denn Gott ist überall

In Irland gibt es Showpaläste, die mal Kirchen waren; in Spanien werden in früheren Gebetshäusern Schweine gehalten – die Kundschaft, Betende und Predigende, blieb aus, also wurden die Kirchen verkauft. Nur in Deutschland fanden solche Abrisse nicht statt, denn anders als sonst wo leben unsere Amtskirchen von Steuermitteln: Da musste nie das, sagen wir: Hardwareangebot verknappt werden.

In Berlin nun wird mit diesem verschlepptem Reformtempo aufgeräumt – und zwar buchstäblich: Eine Kirche im – ohnehin in Bälde muslimisch dominierten – Bezirk Wedding wird abgerissen, weil ihr Unterhalt zu teuer kam. Nun soll auf deren Gelände ein Supermarkt errichtet werden, was als Indiz der Kommerzialisierung des Lebens an und für sich gelesen kann, aber als solches nicht taugt. Denn Kirchen sind (und waren) stets nur Hüllen der Verkündigung der christlichen Botschaft. Nie architektonischer Selbstzweck, abgesehen von symbolisch markanten und nicht nur kirchlich bedeutsamen Sakralbauten, in der Hauptstadt wäre dies die Gedächtniskirche am Ku’damm.

Insofern wird es weitere Abrisse geben – und Neubauten. Von Moscheen beispielsweise, in Einwandererbezirken und anderswo. Das dürfte als Signal religiöser Anerkennung – und städtebaulicher Ehrlichkeit genommen werden. So oder so: Gott ist nirgends. Und überall. JAF