Österreichs Zollwächter prüfen Asylanträge

Seit dem 1. Mai gilt ein neues Asylrecht. In „Erstanhaltelagern“ können Beamte über eine Abschiebung entscheiden

WIEN taz ■ Ausgelassene Stimmung herrschte gestern im Lager Traiskirchen, als mehrere Dutzend Flüchtlingsfamilien in neue Quartiere in den österreichischen Bundesländern verlegt wurden. Das triste Massenlager vor den Toren Wiens wird jetzt ein so genanntes Erstanhaltelager. Das ist eine Einrichtung, die durch das seit 1. Mai gültige neue Asylgesetz geschaffen wurde. Hier soll in kurzer Zeit abgeklärt werden, ob ein Flüchtling Aussichten auf Asyl in Österreich hat. Wer nach Ansicht der Beamten keine Chance hat, kann abgeschoben werden, bevor die Berufungsinstanz entscheidet.

Diese Bestimmung ist heftig umstritten. Schließlich wurde in der Vergangenheit jeder fünfte abschlägige Bescheid in der zweiten Instanz revidiert. Auch in anderen Punkten widerspricht das neue Gesetz der Genfer Flüchtlingskonvention. Etwa darin, dass neue Argumente in der zweiten Instanz nicht zugelassen werden (Neuerungsverbot) oder mit der Zulassung von Abschiebungen in so genannte sichere Drittländer, wenn der Asylsuchende über eine Landgrenze nach Österreich kommt. Die Zuständigkeit fällt dann in das jeweilige Nachbarland, auch wenn dort die Standards unzureichend sind, etwa in der Slowakei.

Positiv wird bewertet, dass für die Unterbringung jetzt die Bundesländer nach einem bestimmten Schlüssel zuständig sind. Die Kosten werden im Verhältnis 40:60 mit dem Bund geteilt. Massenquartiere sollen der Vergangenheit angehören. Ein Kleinkrieg, den Innenminister Ernst Strasser mit den Hilfswerken ausfocht, ist damit vorerst beigelegt. Caritas und Diakonie hatten Strasser vorgeworfen, gegen völkerrechtliche Verpflichtungen und humanitäre Gebote zu verstoßen. Immer wieder wurden Asylsuchende wegen angeblichen Platzmangels auf die Straße gesetzt. Da auch die Quartiere der kirchlichen Hilfswerke überbelegt waren, mussten zeitweise Kirchen und Pfarrsäle als Schlafsäle dienen.

Strasser hat aber eine Hintertüre geöffnet, die zu populistischer Fremdenfeindlichkeit geradezu einlädt: Er hat nämlich den Bürgermeistern ein Vetorecht gegen das Einquartieren von Flüchtlingen in ihrer Gemeinde eingeräumt. Nur in Salzburg, wo mit Landeshauptfrau Gabi Burgstaller seit wenigen Tagen erstmals eine Sozialdemokratin regiert, wurde dieses Vetorecht außer Kraft gesetzt.

Terzija Stoisits, Menschenrechts- und Minderheitensprecherin der Grünen, zeigte sich gestern nach einem Besuch in Traiskirchen positiv überrascht. Das Bundesasylamt hatte begonnen, Beratungsstellen einzurichten. Bisher war die Beratung den NGOs überlassen worden. Allerdings zweifelt Stoisits an der Kapazität der Beamten, im Schnellverfahren über die Fluchtgründe oft traumatisierter Menschen urteilen zu können. Derzeit kommen diese meisten aus Tschetschenien, und sie sind praktisch alle traumatisiert. Der Mitarbeiterstab wurde vor allem durch ehemalige Zollbeamte, die dank EU-Erweiterung nicht mehr gebraucht werden, aufgestockt. Sie wurden in einem kurzen Crash-Kurs für ihre neue, oft sehr heikle Aufgabe geschult.

RALF LEONHARD