Biomasse könnte Jobmotor werden

Umweltstudie: Wenn Energie aus Biomasse eine ernsthafte Anschubförderung bekommt, bietet die Branche ein Potenzial von 200.000 neuen Arbeitsplätzen netto. Bis 2030 könnte selbst Bio-Treibstoff so billig zu gewinnen sein wie Diesel und Benzin

AUS BERLIN MATTHIAS URBACH

Energiegewinnung aus Biomasse kann bis 2030 erheblich zu unserer Energieversorgung beitragen: So könnte die Nutzung von Altholz, Grasschnitt und extra angebauten Energiepflanzen bis dahin 16 Prozent des deutschen Strombedarfs, 10 Prozent der benötigten Wärme und 15 Prozent der Pkw-Kraftstoffe erzeugen – zu weitgehend wirtschaftlichen Preisen. Das ist das Ergebnis einer Studie von acht Forschungseinrichtungen unter Leitung des Öko-Instituts im Auftrag des Umweltministeriums. Allerdings brauche die Biomasse dazu eine Anschubförderung – etwa mit Instrumenten wie der Einspeisevergütung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes.

Die Studie rechnet bis 2030 mit einem Saldo von 200.000 zusätzlichen Arbeitsplätzen, die Verluste in anderen Energiebereichen bereits eingerechnet. Die Jobs entstehen zum großen Teil in den strukturschwachen ländlichen Regionen. „Die Biomasse verstärkt den Trend vom Landwirt zum Energiewirt“, sagt Margaretha Wolf (Grüne), parlamentarische Staatssekretärin im Umweltministerium. „Und für die Anlagenhersteller erwächst hier ein wichtiger Exportmarkt.“ Mit den Zahlen ist kein bloß theoretisches Potenzial beschrieben. Man habe „einen vorsichtigen Rahmen gesetzt“, sagt Projektleiter Uwe Fritsche vom Öko-Institut. Damit habe man Konflikte mit dem Naturschutz und der Landwirtschaft vermeiden wollen. So gingen die Experten davon aus, dass eine nachhaltige Waldwirtschaft nicht gefährdet werde, weil Althölzer entnommen würden, auch dürfe kein Grünland für Energiepflanzen umgepflügt werden.

Etwa die Hälfte der Biomasse soll nach diesem Szenario bis 2030 aus Pflanzenresten und Tierexkrementen stammen: Dazu gehören Altholz, Getreidestroh und Holzabfälle sowie Gülle. Hinzu kommt Deponiegas von Müllhalden, das allerdings durch Aussortieren und Direktverwerten des Biomülls unwichtiger werde. Das Potenzial der Abfallstoffe ist nach den Schätzungen der Gutachter bis 2030 weitgehend ausgeschöpft.

Die andere Hälfte stammt aus dem Anbau so genannter Energiepflanzen: schnellwachsende Hölzer wie Pappeln, aber auch Getreidesorten oder exotische Pflanzen wie das Elefantengras Miscanthus. Das ist möglich, weil auch in den kommenden Jahren viele Anbauflächen frei werden – die Forscher rechnen mit bis zu 4,4 Millionen Hektar, die dank steigender Erträge nicht mehr für Nahrung benötigt werden.

Selbst die Zukunft der bislang durch die Mineralölsteuerbefreiung stark subventionierten Bio-Treibstoffe sehen die Gutachter rosig. Sie setzen vor allem auf die junge Technik der „Biomass-to-Liquids (BtL)“. Diese Designerkraftstoffe, deren Entwicklung allerdings noch am Anfang steht, könnten zusammen mit Rapsdiesel bis 2030 auch ohne Steuerbefreiung mit Benzin und Diesel konkurrieren.

Damit kommen die Auftragsforscher des Umweltministers zu einem Ergebnis, das dem Wirtschaftsminister kaum gefallen dürfte. „Bis 2030“, prognostiziert Fritsche, „kann die Biomasse den gleichen Anteil am Energiemix erlangen wie die Kohle.“