Keine Ruhe an Italiens Justizfront

Opposition und Staatsanwälte wollen „Lex Berlusconi“ Verfassungsgericht vorlegen

ROM taz ■ Silvio Berlusconi hat das persönlich wohl wichtigste Ziel seiner nunmehr zweijährigen Amtszeit als Ministerpräsident erreicht: Er ist jeden Ärger mit der Justiz los. Am Mittwochabend verabschiedete das Abgeordnetenhaus mit der Mehrheit der Regierungsparteien ein Gesetz, das für den Regierungschef – zusammen mit dem Staatsoberhaupt und den Präsidenten der beiden Kammern des Parlaments sowie des Abgeordnetenhauses – die Suspendierung aller Prozesse für die Dauer ihrer Amtszeit verfügt. Der gegen Berlusconi in Mailand anhängige Prozess wegen Richterbestechung ist damit kurz vor dem Urteilspruch gestoppt. Denn niemand in Rom erwartet, dass Staatspräsident Carlo Azeglio Ciampi die Gegenzeichnung des Gesetzes verweigert.

Aus Kreisen des Staatspräsidenten verlautete, dass mit einer umgehenden Unterschrift zu rechnen sei. Ciampi, der aus dem Lager der Oppositionsparteien stammt, ist der Auffassung, dass Italien um des inneren Friedens ebenso wie um seines Ansehens im Ausland willen sich eine Fortführung der Auseinandersetzung zwischen Justiz und Politik nicht leisten kann.

Die Opposition des Ölbaum-Bündnisses dagegen bezeichnet das Gesetz als verfassungswidrig. Sie beteiligte sich nicht an der Schlussabstimmung im Abgeordnetenhaus und stellte den Gang vors Verfassungsgericht ebenso wie die Einleitung eines Referendums in Aussicht. Sie hat dabei die Unterstützung der Protestbewegung der „Girotondi“, die am Abend der Abstimmung in Rom ebenso wie in zahlreichen anderen Städten Italiens tausende auf die Straße brachte.

Den Schritt vors Verfassungsgericht werden wohl die Staatsanwälte tun, die in Mailand die Anklage gegen Berlusconi vertreten. Aber auch wenn ihr Begehr Erfolg hätte, wäre Berlusconi wohl aus dem Schneider: Spätestens im Januar 2004 scheidet einer der Richter aus der über ihn zu Gericht sitzenden Kammer in Mailand aus. Bei Wiederaufnahme müsste der Prozess vor einer neuen Kammer also von null an aufgerollt werden – und fiele mit Sicherheit der Verjährung anheim.

Die von Ciampi erhoffte Ruhe an der Justizfront wird dennoch nicht eintreten: Das Berlusconi-Lager bereitet ein weiteres Gesetz zur Wiedereinführung der Immunität für alle Parlamentarier vor, um Mitangeklagte des Ministerpräsidenten wie den langjährigen Berlusconi-Anwalt Cesare Previti ebenfalls vor dem Zugriff der Richter in Sicherheit zu bringen. MICHAEL BRAUN

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