Chatami reagiert auf die Proteste

Der iranische Präsident erwähnt das Recht auf Kritik und weist die Stellungnahmen aus Washington zurück. Gleichzeitig droht er „Unruhestiftern“. In Teheran verstärkt die Polizei nach weiteren Demonstrationen ihre Präsenz in den Straßen

von BAHMAN NIRUMAND

Eine Woche brauchte Irans Staatspräsident Mohammed Chatami, um angesichts täglicher Proteste gegen die Führung der Islamischen Republik sein Schweigen zu brechen. „Wir werden keiner fremden Macht erlauben, sich in die Angelegenheiten unseres Landes einzumischen“, sagte er am Mittwochnachmittag. Die Ereignisse der letzten Tage seien in der Auslandspresse extrem übertrieben dargestellt worden. Dabei seien diese Proteste „hundertmal geringer gewesen als jene, die täglich in Amerika stattfinden“.

Zu den Forderungen der Studenten, die nicht nur den Rücktritt des Revolutionsführers, sondern auch seinen eigenen Rücktritt verlangen, äußerte sich Chatami nicht. Wie so oft begnügte er sich mit allgemeinen Bemerkungen. „Wenn wir einen demokratischen, zivilen Staat haben wollen, müssen wir auch Kritik hinnehmen.“ Seine Regierung habe keineswegs die Absicht, Protesten mit Gewalt zu begegnen. Er verurteilte das Vorgehen der Schlägertruppen gegen die Demonstranten. Seine Regierung sei nicht bereit, „einen Staat im Staat“ zu dulden. Die Ordnungskräfte würden das Recht der Studenten, ihre Forderungen vorzubringen, schützen, sie seien jedoch auch verpflichtet, gegen „Unruhestifter“ vorzugehen.

Chatami kritisierte die Stellungnahmen aus Washington, die die Demonstrationen begrüßt und sie als Beginn eines Volksaufstands bezeichnet hatten. Die USA seien über die Lage in Iran falsch informiert, sagte er. Je mehr sie das Feuer anheizten, desto mehr werden sie das iranische Volk zusammenschmieden. Die Tatsache, dass die Demonstranten trotz massiver Propaganda nicht imstande seien, mehr als tausend Protestler auf die Straße zu bringen, zeige die Stärke des iranischen Volkes. Er sei sicher, dass die überwiegende Mehrheit der Bevölkerung einem Aufruf zu einer Demonstration gegen die Einmischung ausländischer Mächte folgen würde.

Auf die Frage, ob seine Regierung Frankreich um die Auslieferung der Mitglieder der oppositionellen Volksmudschaheddin gebeten habe, die am Montag bei einer Großrazzia in Paris verhaftet wurden, sagte Chatami, die französische Regierung werde ihren Verpflichtungen im Kampf gegen den internationalen Terrorismus nachkommen. Man dürfe Terroristen nicht unterschiedlich behandeln. Der Umgang der USA mit den Volksmudschaheddin, die im Irak terroristische Anschläge in Iran verübt hätten, sei merkwürdig und erwecke zudem den Verdacht, man wolle sich solcher Gruppen für den Einsatz gegen die islamische Republik bedienen.

Chatami versicherte noch einmal, dass Iran nicht die Absicht habe, Atomwaffen herzustellen. Doch man könne dem Land nicht das Recht verwehren, wie andere Staaten moderne Technologie und Atomenergie für seine Entwicklung einzusetzen.

„Wir haben kein Problem, mit der internationalen Atombehörde zu kooperieren und weitere Verpflichtungen einzugehen“, sagte Chatami. Er sei der festen Überzeugung, dass Atomwaffen keine Sicherheit gewähren. Israel besitze zurzeit 400 Atomsprengköpfe und sei eifrig dabei, sein Waffenpotenzial noch weiter auszubauen. Mit diesem Waffenarsenal sei Israel imstande, die ganze Welt in Schutt und Asche zu legen.

Einen Tag nach der Stellungnahme Chatamis reagierte die iranische Führung gestern mit einem massiven Polizeiaufgebot auf die Demonstrationen. In dem Arbeitervorort Pars im Osten der Stadt bezogen Bereitschaftspolizisten an wichtigen Straßenkreuzungen Posten, während Milizionäre Autofahrer kontrollierten. In der Nacht zum Donnerstag hatten tausende von Iranern in Pars demonstriert.