frisches flimmern
: Liebe zu Landschaft und Musik

Zwei Filme zeigen eine tiefe Verbundenheit des Filmemachers mit seinem Thema. Sie sind eine Hommage an die Menschen in Georgien und das Wesen im Blues.

Frauen

Seit Sohn Otar fort ist, um als Mediziner in Paris eine erfolgreich Karriere zu starten, wartet seine Mutter Eka (Esther Gorintin) sehnsüchtig auf jeden neuen Brief und die kleinen Geldsendungen. Zusammen mit ihrer Tochter Marina (Nino Khomassouridze) und Enkeltochter Ada (Dinara Droukarova) lebt sie in einer bescheidenen, engen Wohnung in Tiflis. Sie führen ein mühevolles, einfaches Leben in der ehemaligen Sowjetrepublik Georgien. Marina plagen ständig Geldsorgen und ihre Tochter Ada ist Studentin und auf Jobsuche. Aufmunternd sind dagegen die regelmäßigen Berichte von Otar. Eines Tages bleiben die Anrufe und Briefe aus Frankreich aus. Otar ist tödlich verunglückt.

Julie Bertuccelli erzählt in „Seit Otar fort ist...“ von der Solidarität drei georgischer Frauen aus verschiedenen Generationen. Großmutter Eka repräsentiert noch die stalinistische Zeit, während die 20-jährige Ada die Zukunft verkörpert. Ihre Mutter Marina, deren Mann in Afghanistan fiel, steht für eine verlorene sowjetische Generation. Der Film handelt vom Leben im heutigen Georgien, in der die Überlebensstrategie lautet: „Jeder für sich und Kapitalismus für alle“, wie es Ada einmal formuliert. Gleichzeitig ist er eine Hommage an die Stadt Tiflis und die dort lebenden Menschen. Die tristen Bilder entstanden an Originalschauplätzen.

Das Spielfilmdebüt der Dokumentarfilmerin Bertuccelli ist ein authentisches Portrait dreier Frauen, die in der früheren Sowjetrepublik leben. „Seit Otar fort ist ...“ wurde mehrfach ausgezeichnet und erhielt 2004 in Paris den „César“.

Männer

Im Blues werden universelle Geschichten erzählt. Von Liebe und Betrug, Fortgehen oder Bleiben. Wim Wenders erzählt in „The Soul of a Man“ (Deutschland, USA 2003) seine eigene Geschichte über den Blues. Der dritte Musikfilm des Düsseldorfer Filmemachers portraitiert die drei Blueslegenden Skip James, J.B. Lenoir und Blind Willie Johnson.

Nach „Buena Vista Social Club“ widmet sich Wenders erneut in Vergessenheit geratenen Musikgrößen. Der Film erreicht nicht die lebendige Atmosphäre des erfolgreichen Vorgängers, will aber auch keine Kopie sein. Archivaufnahmen aus den 30er Jahren werden diesmal mit zusätzlich, stummfilmartig inszenierten Filmsequenzen verbunden. Die knisternden Schwarz-Weiss-Bilder haben eine ähnliche Wirkung wie das Abspielen alter Langspielplatten. Originale Musikstücke wechseln sich mit Cover-Versionen von Musikern wie Nick Cave, Beck oder Bonnie Raitt ab. Wim Wenders verbindet anekdotenhaft die tragischen Lebenswege der drei Bluesmusiker und nähert sich so dem Wesen dieser Stilrichtung. NRW-Filmstart in Essen und Köln.

STEFAN ORTMANN