gottschalk sagt
: Heil Dir, großer Gerling

CHRISTIAN GOTTSCHALK: Die Kolumne am Donnerstag

Fast pünktlich zum hundertsten Geburtstag der Firma Gerling schlenderte ich am Sonntag mit meiner Freundin durch das Friesenviertel, und damit sie auch ja merke, was für einen allseits gebildeten Schlaumeier sie abbekommen hat, referierte ich mit großer Geste, dass ja Reichsoberbaumeister Albert Speer diese Gerling-Gebäude entworfen habe, damals, in den Dreißigern, und wir gruselten uns ein bisschen. Denn in der Tat fühlt man sich inmitten dieser Architektur ja so, als habe die NSDAP noch die absolute Mehrheit.

Berauscht von meiner Bildung suchte ich im Internet nach mehr Details, doch schnell war klar: Die Macht des Gerling-Konzerns ist größer, als ich dachte. Alle Spuren zu Speer sind verwischt worden. Aber warum? Denn offensichtlich mögen die Gerlings ihre Bauten: „Ohne die Freude am Schönen und Gestalten würde die Arbeitswelt viel von ihrer Menschlichkeit verlieren. Nicht zuletzt ist Kreativität der Weg hin zu neuen Ideen und deren Umsetzung in eine sichtbare Gestalt. Hans Gerling, der sich sehr für Architektur begeisterte, war an den Entwürfen für die Gebäude der Konzernzentrale in Köln wesentlich beteiligt.“ (Pressestelle Gerling) Doch was sagt mir das? Außer, dass Hans Gerling und ich doch sehr unterschiedliche Vorstellungen vom „Schönen“ und einer menschlichen Arbeitswelt haben. (Wie wir uns erinnern, hat es Günter Wallraff als Pförtner auch nicht so gut gefallen bei Gerling). Langsam kamen mir Zweifel. Ich rief meinen Telefon-Joker M. an. „Norman Foster“ antwortete er. Ich: „Nein, die alten Gebäude.“ Er: „Albert Speer“.

Hätte ich die Pressemappe von Gerling genauer gelesen, hätte ich mir die Recherche sparen können, denn da steht es. Speers alter Nazi-Kumpel Arno Breker war einer der Architekten des „Rundbaus“. Erbaut wurde er in den Sechzigern. Knapp daneben ist auch vorbei. Doch ganz umsonst war das Wühlen im Netz nicht, kann ich doch beim nächsten mal in jener Gegend ganz locker Heinrich Böll zitieren.

Aus „Köln III – Spaziergang am Nachmittag des Pfingstsonntags 30. Mai 1971“:

„Sondermeldung:

und ihr habt doch gesiegt

heil

der dreimal heiligen

Herrschaft

von Gerling und Breker

auf dem öden Reichsparteitagsgelände.“