Knebel in der Schultüte

Verfügung an alle Lehrer und Schulleiter verbietet eigenständige Pressekontakte. Alle Anfragen von Journalisten müssen an Behördensprecher Alexander Luckow gemeldet werden. Der entscheidet, wer antworten darf. GEW spricht von „Zensur“

von KAIJA KUTTER

Den Schulen flatterte gestern ein Fax ins Haus: In Form einer „Verfügung“ von Bildungs-Staatsrat Reiner Schmitz verkündete die Schulbehörde darin einen Maulkorberlass: Gegenüber der Presse dürfen Lehrer und Schulleiter künftig nichts mehr sagen, ohne zuvor die Erlaubnis der Pressestelle der Behörde einzuholen. „Das ist eine Katastrophe, so etwas hat es in Hamburg seit 30 Jahren nicht gegeben“, so eine Schulleiterin, die sich nicht einmal mehr traute, das eigene Faxgerät zur Weiterverbereitung des Schriftstückes zu benutzen.

Behördensprecher Alexander Luckow hatte die Verfügung am Montag an Schulaufsichtsleiter Norbert Rosenboom weitergereicht mit der „Maßgabe, den Inhalt allen Lehrkräften zur Kenntnis zu bringen“. Zum Inhalt, fügt er in einem Anschreiben an, ginge es um die „Präzisierung vorhandener Dienstanweisungen in einem Punkt“. So dürfen bislang Schulleiter zu Angelegenheiten, die ihre Schule betreffen, durchaus öffentlich Stellung nehmen. Doch künftig sollen alle Mitarbeiter der Bildungsbehörde, bevor sie „öffentlich wirksame und dienstlich relevante Äußerungen machen“ und sich „elektronisch oder gedruckt verschriftlichen“, das Pressereferat informieren.

Die Verfügung erfolge „aus gegebenem Anlass“. Laut Luckow handelte es sich bei dem „Anlass“ um das ungeschickte Agieren einer Behördenaußenstelle – ein Vorfall, der nichts mit der aktuellen schulpolitischen Debatte zu tun habe. Ferner räumte Luckow gegenüber der taz ein, dass die Verfügung „im Ton martialischer daherkommt, als sie gemeint ist“. Dies sei „vielleicht nicht so glücklich“. So können bei der Kontrolle von Schriften nicht nur „einzelne Schulen“, wie es im Erlass heißt, sondern alle ausgenommen werden. Luckow bleibt aber dabei, dass sich alle BBS-Mitarbeiter, bevor sie mit der Presse reden, mit ihm in Verbindung setzen müssen: Dies diene der „Informationsverknüpfung“, um „das Feindbild Behörde abzubauen“.

„Herr Luckow wird der Zensor aller Lehrer, um zu verhindern, dass Kritik an den neuen Weichenstellungen des Senats öffentlich wird“, erklärt dagegen GEW-Sprecherin Ilona Wilhelm. Dies sei „außerordentlich kleinkariert“ und einer „demokratischen Schulkultur unwürdig“, ergänzt GEW-Chefin Stephanie Odenwald. „Es muss nur der den Mund verbieten, der Angst hat“, kommentiert Arno Becker vom Deutschen Lehrerverband, der „rein rechtlich“ an der Verfügung nichts zu beanstanden hat. „Wir haben aber in Hamburg immer einen offenen Dialog über Bildungsfragen gehabt. Je mehr Menschen ihren Sachverstand zusammentragen, desto besser.“ Schulsenatorin Alexandra Dinges-Dierig wäre gut beraten, wenn sie hier nicht „hierarchisch ihre Macht missbraucht“.

Die Reaktion der Senatorin sei „unsouverän“, sagt auch SPD-Bildungspolitikerin Britta Ernst. Die Ankündigungen von Schulschließungen und großen Klassen „begeistern niemanden, der die Situation an Hamburgs Schulen kennt. Und es muss erlaubt sein, dies auch zu sagen.“ GAL-Fraktionschefin Christa Goetsch befürchtet, dass nun auch Internetseiten der Schulen zensiert werden: „Na dann, gute Nacht für Kreativität, Engagement und Pädagogik.“