Das Ende der Schönfärberei

Haushaltsdebatte in der Bremischen Bürgerschaft: Der Finanzsenator verschweigt die Risiken seines Zahlenwerks nicht, die Grünen tadeln und loben, die FDP verteilt schlechte Noten– und der Regierungschef glänzt vor allem durch Abwesenheit

Bremen taz ■ Es gibt Bremensien, die immer wieder erstaunen: Als die Bürgerschaft, immerhin Volksvertretung und Gesetzgeber dieses Bundeslands, sich gestern Vormittag anschickte, den nach langem Gezerre endlich vorlegten Haushaltsentwurf des Senats in erster Lesung zu beraten, zog es der Regierungschef vor, beim Verwaltungsrichtertag zu weilen. Während Henning Scherfs Finanzsenator das Zahlenwerk der Großen Koalition für die Jahre 2004 und 2005 einbrachte und verteidigte, glänzte der Präsident des Senats durch Abwesenheit. Erst während der Rede von Oppositionsführerin Karoline Linnert (Grüne) trudelte Scherf ein, plauderte ein wenig mit seinem Vize Hartmut Perschau, stand nach einer halben Stunde auf, tätschelte Finanzstaatsrat Henning Lühr übers Haupt – und ward nicht mehr gesehen.

Finanzsenator Ulrich Nußbaum (parteilos), für den sich aus den Reihen der CDU-Fraktion kaum eine Hand zum Beifall rührte, beharrte auf dem Ziel, ab dem Jahr 2005 einen verfassungskonformen Haushalt vorzulegen. Das eigentliche Problem Bremens liege auf der Einnahmeseite, sagte Nußbaum: „Wir werden deshalb stadt- und landesintern Einnahmepotenziale besser ausschöpfen und müssen gleichzeitig eine überregionale Kompensation unserer strukturellen Benachteiligung bei der Finanzausstattung beanspruchen.“ Nußbaum räumte ein, „dass es sich bei den Haushaltsentwürfen um ein Plannungswerk“ handele, das „externen Risiken“ unterworfen sei und sich „im praktischen Vollzug bewähren“ müsse: Wenn etwa die nächste Steuerschätzung in der kommenden Woche einen weiteren Einnahmeausfall prognostiziere, entstünden neue Finanzierungsprobleme.

Grünen-Fraktionschefin Karoline Linnert war mit Nußbaum einig darüber, dass das Hauptproblem Bremens eine „ungerechte Verteilung“ im bundesstaatlichen Finanzausgleich sei, ohne die zu verändern es „kein finanzielles Überleben für Bremen geben“ werde. Positiv merkte Linnert an, dass die „Zeit der Schönfärberei ziemlich vorbei zu sein“ scheine. Nußbaum habe die Lage „in weiten Teilen realistisch dargestellt“. Allerdings hätte bisher niemand den Mut gehabt einzuräumen, „dass es nichts wird mit dem verfassungskonformen Haushalt 2005“.

SPD-Fraktionschef Jens Böhrnsen war es wichtig zu betonen, dass „es Grenzen des Sparens“ gebe, die nicht überschritten werden dürften. Die Sozialsenatorin habe derzeit „Einsparungen zu schultern, die der Grenze des Zumutbaren sehr nahe kommen“. Seine Fraktion werde „nicht die Hand dafür reichen, dass Strukturen und Standards Schaden nehmen, die für soziale Politik in Bremen“ stünden.

Jörg Kastendiek wiederum, der sich noch immer schwer damit tut, als CDU-Fraktionschef in die großen Schuhe seines Vorgängers Jens Eckhoff hineinzuwachsen, wies alle Vorwürfe zurück, die CDU-Senatoren würden „mit dem Füllhorn herumlaufen“, während die SPD-Ressorts zum Sparen genötigt würden.

Der FDP-Abgeordnete Willy Wedler bescheinigte dem Bremer Senat ein „finanzpolitisches Desaster“: „Wir haben in Bremen offensichtlich eine Regierung, in der keiner der beiden Koalitionspartner mit Geld umgehen kann – eine sehr bittere Erkenntnis“, so der FDP-Mann. Für 2005, also für das Jahr, in dem Bremen saniert sein sollte, werde mit einem Finanzierungsdefizit von gut einer Milliarde Euro gerechnet: „In der Schule würde man sagen: Sechs, setzen“, so Wedler. Markus Jox