„Eltern überzeugen, nicht verpflichten!“

Die Bedingungen in den Kitas und die Ausbildung der ErzieherInnen müssen verbessert werden. Da hilft keine Kitapflicht, sagt Klaus Schröder, Sprecher der Gewerkschaft für Erziehung und Wissenschaft (GEW)

taz: Herr Schröder, halten Sie die von der SPD vorgeschlagene Kitapflicht für sinnvoll?

Klaus Schröder: Ich bin über den Vorstoß sehr überrascht. Da wird das Problem am falschen Ende angepackt. Denn wenn man sich die Zahlen anschaut, sind es lediglich 5 Prozent aller fünf- bis sechsjährigen Kinder, die nicht in die Kita gehen. Die Pflicht zielt somit nur auf eine sehr kleine Gruppe. Man sollte eher versuchen, die Eltern von der Kita zu überzeugen, als sie zu verpflichten. Das Entscheidende sind dabei die Bedingungen in den Kindertagesstätten. Die beste Kitapflicht hilft nichts, wenn die Ausstattung der Kitas unzureichend ist.

Vorschulkinder in Deutschland schneiden bei Untersuchungen schlecht ab. Der Grund dafür ist nicht, dass sie nicht betreut werden. Sondern, dass die Kitas schlecht sind?

Ja, aber das liegt nicht an den Betreuerinnen. Die würden sich gerne mehr fortbilden, zum Beispiel auf dem wichtigen Gebiet der Sprachförderung der Kinder. Die Erzieherinnen haben aber immer weniger die Möglichkeit dazu, weil zu wenig Personal zur Verfügung steht. An der Stelle muss etwas geändert werden, nur dann kann sich die Qualität verbessern. Da hilft dieser öffentlichkeitswirksame Vorstoß der SPD in Richtung Verpflichtung nichts.

Was sollte sich bei der Ausbildung der ErzieherInnen ändern?

Da tut sich leider nur sehr schleppend etwas. Die Entwicklung muss dringend von der Fachschulausbildung wegkommen. Außer in Österreich und Deutschland werden in allen anderen europäischen Ländern die Pädagoginnen an der Universität ausgebildet. Ich würde mir sehr wünschen, dass wir auch endlich dahin kommen.

Migrantenkinder gehen unter Umständen seltener in die Kitas. Wie kann man das ändern?

Die von der Regierung ansonsten eingeschlagene Richtung ist dabei schon akzeptabel. Sie versucht, Eltern anzusprechen und sie zu informieren. Und zwar nicht nur Eltern mit Migrationshintergrund, sondern auch solche aus sozialschwachen Gebieten – die so genannten bildungsfernen Haushalte. Darüber hinaus muss der Zugang zu den Kitas leichter und freier sein. Die Eltern dürfen sich nicht als Bittsteller fühlen, wie es durch das vor zwei Jahren geänderte Anmeldeverfahren häufig der Fall ist.

Die FDP schlägt eine generelle Betreuungspflicht im Alter von viereinhalb Jahren vor. Halten Sie das für sinnvoll?

Nein, denn die frühkindliche Entwicklung geht nicht erst im Alter von drei und schon gar nicht im Alter von viereinhalb los. Der FDP schwebt dabei wohl eine vorgelagerte Schulpflicht vor. Mir schwebt ein gutes Angebot an Krippenplätzen für Null- bis Dreijährige vor.

Auf Bundesebene setzt sich die SPD schon für die Betreuung dieser Kinder ein.

Ja, dabei wird aber vor allem über Betreuung gesprochen. Und nicht über Bildung. Natürlich ist die Vereinbarkeit von Kindern und Beruf wichtig, aber es kann in der Diskussion nicht nur darum gehen. INTERVIEW: SASCHA TEGTMEIER