wie einmal die pferde mit mir durchgingen von WOLFGANG „WENDY“ WEBER
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Das einzige Pferd, das ich bisher kannte, war Fury, der Fernsehstar. Seit einigen Tagen kenne ich noch ein Pferd: Archimedes. Wenn ich morgens aufstehe und vor Muskelkater kaum laufen kann, denke ich an ihn.

Angefangen hatte alles, als mich meine Freundin im Schwarzwald besuchte. „Hier hat es ja einen Reiterhof“, rief sie aufgeregt. „Lass uns doch mal reiten gehen.“ Sie hatte den Großteil ihrer Kindheit in Pferdeställen verbracht. Ich nicht.

Insgesamt waren wir 14: sieben Pferde, drei Teenies, ein dickes zehnjähriges Mädchen, zwei Frauen und ein stattlicher Mann im besten Alter – das war ich. Die Mädchen plapperten über Murphy und Kira und Moritz und wie ihre vierbeinigen Freunde alle hießen. Vorne ritten die „Chefin“ und die Mädchen, ganz hinten meine Freundin und ich. „Das ist ja einfach“, sagte ich und fühlte mich wie John Wayne. „Reiten kann ja jeder! Gebt mir ein Lasso, sonst wird’s langweilig!“

Dann plötzlich setzten sich die Pferde vor mir ohne jede Vorwarnung in Bewegung, und Archimedes schaltete ebenfalls einen Gang hoch. Es hoppelte und ruckelte, und ich schwankte. Mein Hintern schmerzte höllisch bei jedem Schritt. Dann fielen die Pferde wieder in einen langsamen, gemächlichen Schritt.

„War das Galopp?“, fragte ich in die Runde. Mein Herz klopfte wie wild, und ich schwitzte, obwohl es eigentlich ziemlich kühl war. „Nein, das war Trab“, antwortete die „Chefin“ der Gruppe, ein 15-jähriges Mädchen mit Zahnspange. „Aber gleich kommt eine kleine Galoppstrecke.“ Na prima! „Falls es dir gleich zu schnell wird, musst du einfach an den Zügeln ziehen und das Pferd bremsen“, sagte meine Freundin. In diesem Moment rutschte mein rechter Fuß aus dem Steigbügel und baumelte haltlos herum. „Mein Fuß ist rausgerutscht“, rief ich, doch es war zu spät. Alle Pferde rannten los, als wären sie verrückt geworden. Und Archimedes wollte mithalten! Jetzt rutschte auch noch mein linker Fuß aus dem Steigbügel. Das Pferd schien um sein Leben zu rennen, und ich durchlebte die schlimmsten Sekunden meines Lebens. Meine Beine schlackerten in der Luft, und ich konnte den Zügel kaum halten. Mit der rechten Hand klammerte ich mich verzweifelt am Sattel fest. „Halt!“, rief ich. „Halt an!!!“ Ich zog am Zügel. Ich rutschte nach rechts. Gleich würde ich stürzen! Ich rutschte nach links, drohte vornüberzufallen. Plötzlich – wie durch ein Wunder – verlangsamte Archimedes sein Tempo.

„All clear?“, fragte mich meine Freundin. Ich schluckte. Die „Chefin“ hatte gemerkt, dass etwas nicht stimmte. „Halten Sie einfach die Zügel straff, dann müssen Sie nicht mitgaloppieren“, sagte sie. Ich straffte die Zügel. Archimedes blieb ruckartig stehen und begann zu grasen. „Der darf nicht grasen!“, schrie mich die „Chefin“ hysterisch an. „Ja, was soll ich denn dagegen machen?“, schrie ich hilflos zurück. „Ziehen Sie ihn wieder hoch, und schlagen Sie ihm Ihre Füße in die Seiten!“ Ich tat, wie mir geheißen. Archimedes rannte wieder los.

Ich habe den Ausritt schließlich heil überstanden. Die anderen galoppierten noch ein paar Mal, doch ich zog 45 Minuten lang wie wild am Zügel und kam irgendwann als Letzter ins Ziel. Lebendig. Ohne Brüche. Aber ich wollte nie wieder Wendy sein.