Schweden tut was für die Männer

Bei der Geschlechtergleichstellung kommt Deutschland im Vergleich mit Schweden nicht gut weg. Aber wie haben die SchwedInnen das gemacht? Die Ebert-Stiftung fragte nach

BERLIN taz ■ In Schweden sind die Menschen blonder, und das Leben ist lockerer. Schweden hat sogar eine „feministische Regierung“, jedenfalls nach Aussage der Vizepremierministerin Margareta Winberg (blond). Winberg traf auf der Tagung „Countdown zur Chancengleichheit“ der Friedrich-Ebert-Stiftung auf die deutsche Familienministerin Renate Schmidt, die es zwar an Blondheit mit Winberg aufnehmen kann, aber locker ist hierzulande im Moment keiner. Und ihre Regierung als feministisch zu bezeichnen, würde Renate Schmidt wohl nicht im Traume einfallen, nicht mal sich selbst mag sie so bezeichnen.

Den Stand der Gleichstellung in beiden Ländern zu vergleichen, ist fies. Schließlich weiß jeder, dass Schweden fortschrittlich ist: Gut bezahlte Erziehungszeiten für Väter und Mütter, was zur Folge hat, dass immerhin 15 Prozent der Väter sie nutzen; individuelle Besteuerung, eine hohe Erwerbsquote von Frauen, ein Ombudsmann und eine Kommission, die über die Gleichstellung wachen, staatliche Kinderbetreuung. Da kann Renate Schmidt nicht mithalten.

Wie haben die SchwedInnen das gemacht?, war die drängendste Frage der Tagung. Glück und Verstand, lautet die Antwort. Glück, das war Schwedens ökonomische Geschichte: In einem spät industrialisierten Land, das unter Massenemigration und einer sinkenden Geburtenrate litt, mussten die Regierungen sich etwas einfallen lassen: Die Frauen sollten dem Arbeitskräftemangel abhelfen, also mussten die Kinder betreut werden. Mit dem Ausbau seines legendären Sozialsystems blieb Schweden beim Doppelverdienermodell. Daran konnten die Frauen anknüpfen, die in den Siebzigerjahren anfingen, Geschlechtergleichheit zu fordern.

Das war der Verstand: „Wir haben uns zusammengeschlossen und haben gekämpft“, sagt Agneta Stark, feministische Ökonomin an der Uni Linköping. Ein Durchbruch hin zur „feministischen Regierung“ war die Quotierung der schwedischen Wahllisten. Heute sitzen in der schwedischen Regierung mehr Frauen als Männer, 44 Prozent der ParlamentarierInnen sind weiblich. Dazu kommt, dass die SchwedInnen – und da unterscheiden sie sich von einigen deutschen KollegInnen – das Gleichheitspostulat durchaus ernst nehmen. Sie vertreten die Ansicht, dass Gleichheit der Rechte und Pflichten auch Männern guttut, die dann nämlich weniger arbeiten und gesünder, ausgeglichener und länger leben können. Im schwedischen Ministerium für Wirtschaft und Arbeit gibt es Projekte und Studien über „Männer und Gleichstellung“. Und die Vizeministerpräsidentin verwies in ihrer Rede als Erstes darauf, dass in einer geschlechtergerechten Gesellschaft die Männer eine „Chance auf ein reiferes Leben“ hätten. Das ist ein anderer Zungenschlag, als der hierzulande gepflegte.

Renate Schmidt hatte keinen ganz leichten Stand. Dass in Deutschland das Steuersystem ihrer Ansicht nach nicht mal eben umgekrempelt werden kann, wurde ebenso mit Unmut aus dem Publikum quittiert, wie die Ankündigung, dass man die Erziehungszeit in dieser Legislaturperiode nicht stärker subventionieren werde. Interessant ist dabei, dass der schwedische Staat pro Kind nicht mehr Geld ausgibt als der deutsche, nur subventioniert er nicht „Familien“, sondern Bildung und Betreuung von Kindern. In Deutschland nennt sich so etwas schon „Systemwechsel“.

HEIDE OESTREICH