Politiker ante Airportas

Berlins Großflughafen soll „Willy Brandt International“ heißen – eine Ehrung mit Folgen

Der Name klingt nach Nachkriegszigarre mit einem Deckblatt aus Dachpappe

Die Ressourcen werden knapp, die Spielräume immer enger, die Krise wütet nach wie vor und erfasst immer neue Bereiche. Jetzt hat es auch unsere Politiker erwischt, auf einem Gebiet, auf dem es sie wirklich hart und unvorbereitet trifft: Der Markt für Straßennamen, bisher der posthumen Bewirtschaftung auch weit unterdurchschnittlicher Politiker vorbehalten, ist offensichtlich zusammengebrochen. Eine zweifellos bestürzende, Sinn und Ziel einer Politikerlaufbahn brutal unterminierende Nachricht, die denn auch nur eher unauffällig-indirekt vermeldet werden konnte, nämlich in Form einer Ankündigung, dass der künftige Großflughafen Berlin-Schönefeld den Namen „Willy Brandt International“ erhalten soll.

„Willy Brandt International“ – ein Name, so Klaus Wowereit, der für die Region „das richtige Symbol“ wäre, ein Name, so Matthias Platzeck, „der dem Flughafen ausgesprochen gut täte“, ein Name, der verdächtig nach Nachkriegs-Zigarrenmarke mit einem Deckblatt aus Dachpappe klingt. Das wahrhaft Kuriose dabei ist aber, dass für den Ausbau des Großflughafens bisher nicht nur keine Genehmigung vorliegt, sondern vielleicht niemals erteilt werden wird und das erste Flugzeug, wenn überhaupt, frühestens 2010 abheben kann. Das heißt, dass hier erstmals ein Kind mit dem Bade ausgeschüttet und gleich in den Brunnen gefallen ist, das noch gar nicht geboren wurde.

Jeder kennt die aufreibenden Diskussionen werdender Eltern um die Namensfindung der Leibesfrucht. Unerbetene, von außen hereingereichte Kreationen stoßen hier schnell auf Gefühlskälte und Desinteresse. So auch bei den reserviert reagierenden Flughafenbetreibern. Man wisse nicht, maulten sie, ob bei der Eröffnung die SPD in Land und Bund noch das Sagen habe. Vielleicht gebe es dann ja den Vorschlag, den Flughafen „Helmut Kohl International“ zu nennen, vielleicht, wenn die Ausbaugenehmigung ausbleibe, nur „Regine Hildebrandt Regional“. Vorstellbar, dass er dann auch „SPD Suizidal“ heißen könnte, zur Erinnerung an eine Partei, die es bald nicht mehr gibt. So weit, so klar.

Das Grundproblem jedoch bleibt. Die Namen von Politikern stapeln sich nach dem Tod ihrer Träger auf den Ämtern. Wohin mit ihnen, keiner weiß es. Die Lager sind überfüllt, die Depots ächzen unter der Last. Fakt ist: Die Anzahl von Straßen, Plätzen und erst recht Flughäfen ist begrenzt. Selbst bei Autobahndreiecken, Heizkraftwerken und Mülldeponien kann es eng werden. Auch wenn man sich darauf verständigen könnte, dass tote Politiker die Ruheplätze für ihre Namen nur eine bestimmte Zeit anmieten dürften, reicht das Angebot vorne und hinten nicht. Forscher haben errechnet, dass auf jede Straße im Bundesgebiet durchschnittlich 156,3 tote Politiker kommen.

Bleibt also nur die Initiative der Bürger. Wenn jeder von uns bereit ist, ein paar Gegenstände und Nischen im Haushalt für Politikernamen freizugeben, wäre der posthume Engpass bald Vergangenheit. Die „Sofa-Ecke Helmut Schmidt“ beispielsweise, die „Fensterbank Angela Merkel“ oder die „Geschirrablage Otto Schily“ – so viel Platz sollte sein, wenn’s für einen guten Zweck ist!

Auch Willy Brandt müsste um keinen Flughafennamen betteln. Denn ein Mann mit seinen Verdiensten – man denke nur an „Mehr-Demokratie-Waagen“ – könnte durchaus berechtigte Ansprüche anmelden auf die Personenwaage im Bad. In Würdigung seiner „Ostpolitik“ käme eventuell auch der Balkon auf der Ostseite in Betracht. Oder man nehme die gummibaumbestückte Zimmerecke bei den Staubmäusen und toten Fliegenresten, „wo zusammenwächst, was zusammengehört“. RAYK WIELAND