Adschariens Provinzfürst gerät unter Druck

Tausende demonstrieren gegen die Regierung von Aslan Abaschidse. Auch der Konflikt mit Georgien verschärft sich

MOSKAU taz ■ „Aslan, tritt zurück“, skandierte gestern vor der Universität in der adscharischen Hauptstadt Batumi eine aufgebrachte Menge. Mehrere tausend Demonstranten hatten an der bisher größten Protestaktion in der Geschichte der autonomen Republik Adscharien teilgenommen. Hunderte hatten vorher auf dem Campus übernachtet, nachdem Sicherheitskräfte des autoritären Provinzfürsten, Aslan Abaschidse, einen Demonstrationszug aus der zweitgrößten Stadt Kobuleti am Marsch nach Batumi gehindert hatten. Erst der gewalttätige Einsatz von Polizeikräften und Milizen ließ die Zahl der Demonstranten binnen kurzer Zeit auf mehrere tausend steigen. Dutzende von ihnen sollen bei dem Einsatz verletzt worden sein, berichtet das Online-Magazin Civil.Ge. Auch das Stabsquartier der Opposition „Unser Adscharien“ sei von Polizeieinheiten verwüstet worden.

Ob das unerwartete Ausmaß der Proteste Abaschidse indes davon abhält, weiter Gewalt einzusetzen, ist fraglich. Und ob die Opposition allein in der Lage ist, Abaschidse ohne georgische Hilfe zu stürzen, ist schwer zu sagen.

Der selbstherrliche Provinzchef regiert den Sonnenflecken an der Grenze zur Türkei nach dem Vorbild eines orientalischen Potentaten. Ämter und Einflüsse sind auf den weit verzweigten Clan der Abaschidses verteilt. Langsam kündigt sich ein dynastischer Wandel an. Seit Michail Saakaschwili in Tiflis das Amt des Präsidenten übernahm, verwandelte sich der schwelende Streit zwischen Batumi und Tiflis in einen offenen Konflikt. Abaschidse weigerte sich, freie Wahlen zuzulassen. Für Verärgerung im Zentrum sorgte zudem, dass Batumi dem Fiskus in Tiflis Einnahmen aus dem Hafen und der Grenzkontrollstelle zur Türkei vorenthielt.

Auf Ultimaten aus Tiflis ging Abaschidse nur aus taktischen Motiven ein. Bis zum 12. Mai hat Abaschidse Zeit, die gegen die Zentralmacht aufgerüsteten Milizen und Bürgerwehren zu entwaffnen. Am Wochenende ließ Abaschidse zwei Brücken zum Mutterland sprengen und eine Bahnlinie unterbrechen. Seither spitzt sich der Konflikt zu: Außer über Rücktritt gebe es nichts mehr zu verhandeln, meinte Georgiens Premier Schurab Schwania nach den Explosionen. Die Lunte soll der russische Exgeneral Juri Netkatschow gelegt haben. Das behauptet zumindest Tiflis, das bemüht ist, die sensiblen Beziehungen zu Russland nicht unnötig zu strapazieren.

Bislang konnte sich Abaschidse auf mächtige Freunde in Moskau stützen. So verlangte Tiflis seit Jahren, den russischen Militärstützpunkt in Adscharien mit 2.000 bis 3.000 Mann zu schließen. Abaschidse lud die Russen zum Bleiben ein. Nicht nur aus Motiven der Völkerfreundschaft: Sie trainieren und befehligen seine Leibgarde. Außerdem soll es auch einige nicht ganz legale wirtschaftliche Interessenkonvergenzen geben. Wie sich der Kreml verhalten wird, ist offen. Grundsätzlich hegt der kein Interesse an einem politisch stabilen Georgien. KLAUS-HELGE DONATH

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