Perma Cruising

Gran Canaria, wie daheim

Auch im Winter ist dort viel los: Auf Gran Canaria, einst Humboldts Paradies des ewigen Frühlings, ist das ganze Jahr schwuler Ballermann. An der Südspitze der kanarischen Inselgruppe befindet sich das Epizentrum der euro-schwulen Spaßgesellschaft, Playa del Inglés. Hier wird ganzjährig durchgemacht, und zwar vorwiegend in einem Einkaufzentrum namens Yumbo-Center.

Ein Areal mit über 45 schwullesbischen Lokalitäten, das ästhetisch und von der Größe her zwischen Berliner Alexanderplatz und Fußballstadion oszilliert, allerdings veredelt durch tropisches Grünzeug. Menschen in der Mall, ein Marktplatz, auf dem viel gut angebräuntes Fleisch im Angebot ist (Restaurant Lelo, Schweinemedaillons mit Kartoffeln für 9,90 Euro). Schwule (und eher vereinzelte Lesben), hier seid ihr zu Hause. Die Interieurs der Etablissements, ob Sling oder Plüsch, sind nicht wirklich von Bedeutung: Man steht ohnehin draußen in der warmen Luft. Der Diskobetrieb geht dementsprechend erst ab vier Uhr morgens in die Take-off-Phase, womit freilich die Chance auf einen freien Liegestuhl am nächsten Morgen sinkt.

Denn die Engländer sind schon um neun Uhr da. Und dann wären da noch die berüchtigten Dünen von Maspalomas. Der Weg dorthin führt von der Südspitze Playas durch die unter Naturschutz stehenden Dünen, oder man fährt mit dem Bus zum Oasis-Center (!) und bewegt sich vorbei am Textil- und Heteronacktstrand. Elvira Klöppelschuh, Autorin des unabdingbaren Vademekums „Elvira auf Gran Canaria“, weist jedoch richtig darauf hin, dass bei Sex im Sand Vorsicht geboten ist: Die Körner können die Kondome angreifen.

Dennoch herrscht hier Perma Cruising, in letzter Zeit sollen sogar verstärkt swingende Heteropärchen gesichtet worden sein. Der unmittelbare Après-Beach findet in der „Apotheke“ statt, der Name bezieht sich vermutlich auf die saftigen Preise. Es gibt Meeresblick, Schlager („Weiße Rosen aus Athen“), Buletten und Schnitzel. Parallel im „Café Wien“ trifft sich die Glatzen-Schnäuzer-Ring-durch-die Nase-Fraktion.

Obwohl Elvira Klöppelschuh kulturinteressierten Gran-Can-Besuchern empfiehlt, mangels Angebot lieber einen Walkman mit klassischer Musik mitzunehmen, sei als Alternative ein Besuch in der Hauptstadt Gran Canarias, Las Palmas, empfohlen. Das von Oscar Tusquets neu erbaute „Auditorium Alfredo Kraus“, ein Musiktempel aus Beton, Lava und Pinienholz (gleich daneben übrigens das Las Arenas-Center …) ist unter anderem Schauplatz des winterlichen Festival de Música de Canaris. MARTIN REICHERT