Mord ohne Leiche

Spurenmangel führt nicht automatisch zur Entlastung

Wissenschaftliche Methoden in der Kriminalistik haben ihre Grenzen – und dann ist der freien Interpretation der Richter Tür und Tor geöffnet. So wie im Fall Monika Weimar: Obwohl Fasergutachten sie entlasteten, gingen die Richter davon aus, dass sie ihre Kinder ermordet hat, um für ihren Liebhaber frei zu sein. Oder zuletzt im Fall Hartmut Crantz: Ihm wurde der Mord an seiner Ehefrau aus Habgier zur Last gelegt. Das Verfahren wird wohl als „Mord ohne Leiche“ in die Rechtsgeschichte eingehen – obwohl es inzwischen ein Todesopfer gibt.

Der 58-jährige hatte immer wieder seine Unschuld beteuert und eine Intrige der Familie vermutet. Er war zunächst im Dezember 2001 wegen Mordes vom Lübecker Landgericht zu lebenslanger Haft verurteilt worden, der Bundesgerichtshof hob in der Revision das Urteil wegen eines Formfehlers auf, das Landgericht Lübeck verurteilte ihn Anfang Juni abermals wegen Mordes zu lebenslänglich. Wenige Tage später erhängte Crantz sich in der Zelle und beteuerte in seinem Abschiedsbrief erneut, Opfer eines Komplotts geworden zu sein.

„Objektive Beweise gibt es nicht“, musste das Gericht bei der Urteilsverkündung eingestehen. Die Leiche der Frau, die seit dem 6. Januar 1999 als verschwunden gilt, ist nie gefunden worden. Zeugen wollen sie sogar später noch gesehen haben. Obwohl das Gericht davon ausgeht, dass Crantz die Leiche seiner Frau am 6. Januar zwischen 13.30 und 16 Uhr mit seinem Carbriolet aus dem Ratzeburger Haus geschafft hat, sind nie DNA- oder Blutspuren im Kofferraum gefunden worden. Auch die Leichenspürhunde, die laut eines Sachverständigen 2,3 Millionen mal besser riechen können als Menschen, hatten bei einer Durchsuchung des Kofferraums nicht angeschlagen. Was für die Richter an Indizien blieb, ist Crantz‘ merkwürdiges Verhalten nach dem Verschwinden. Er versuchte ans Vermögen der Frau auf den gesperrten Konten heranzukommen und brachte ihre Kleider auf den Dachboden. KVA