Mildernde Umstände für einen Erst-Täter

Die Unschuld habe er verloren, räumt Martin Heller ein: Ohne allzu spezifisch zu werden, stellte sich der Kulturhauptstadtbewerbungs-Intendant im Theater am Leibnizplatz den Fragen der Bremer Szene

Immerhin: Der Selbstdarsteller Armin K. heimste Applaus ein, im Theater am Leibnizplatz. Mit Rilkes „Panther“ und der herausgeschrieenen Parole „Wir schaffen das, Herr Heller: Bremen wird Kulturhauptstadt!“, konsternierte der leicht angetrunkene Aktionskünstler am Mittwoch die zahlreichen Vertreter der Bremer Kultur zunächst. Dann zeigten sie sich begeistert.

Doch in der Quintessenz ging es nicht ums vorzeitige Feiern eines noch nicht erreichten Ziels. Vielmehr machte der Schweizer Kuturhauptstadtbewerbungs-Intendant Martin Heller deutlich, wie er sich in die Startlöcher zu begeben gedenkt: Sehr bedächtig und kalkuliert – ohne sich irgendwelchen Zwängen zu unterwerfen.

Einzig die Bewerbungskriterien und europäischen Leitlinien zur „Europäischen Kulturhauptstadt 2010“ hätten für ihn Vorrang. Darauf müsse er Bremen, das er leider als „Ort des Understatements“ kennen gelernt habe, vorbereiten. Strategisch, wohlgemerkt, die Konzeption dürfe in keinen Aktionismus ausarten, betonte Heller eher verhalten – vom Publikum auf den Umgang mit den festgefahrenen politischen Strukturen befragt. Natürlich müsse eine bundesweite politische Lobby organisiert werden.

Die Bewerbung sei seines Erachtens keine reine innerbremische Angelegenheit, so Heller. Die Hansestadt müsse vielmehr ein „europäisches Schaufenster“ sein. Was dessen Dekoration betrifft, das setzen die Bremer Kulturschaffenden offenbar sehr hohe Erwartungen in den Schweizer. Geradezu begierig sind sie auf einen „roten Faden“, den der Kulturmanager in Bälde vorzugeben habe.

Recht betrachtet existiert der ja schon im Sinne der von der EU vorgegebenen Kriterien. Nur: wie den für die Hansestadt zurechtstricken? Gerade international verknüpfte Projekte sind rar. Eine Chance sieht Heller in den Partnerstädten Danzig und Riga. In der hiesigen Off-Szene gebe es offenbar Befürchtungen, dass die Bewerbung ausschließlich auf großdimensionierte „Hochglanz-Projekte“ reduziert würde, sprich: die zahlreichen ja durchaus existierenden „Kleinen“ keine Beachtung finden werden. Das ist die Crux, mit der sich Heller in nächster Zeit herumzuschlagen hat. Denn es sei nun mal Realität, dass Prestigeprojekte höhere Aufmerksamkeit auf sich ziehen.

Heller selbst empfindet es als enormen Vorteil, von „außen“ zu kommen. Nun beginne er allerdings schon, „seine Unschuld zu verlieren“, bemerkte er süffisant. Den sendungsbewussten Kulturschaffenden kann das nur recht sein, sie machen schon jetzt mit diversen Eigeninitiativen und selbstgeschaffenen Plattformen – etwa der Internetseite www.bremen2010.de, der „Risikogruppe“ oder der „Gruppe Off“ auf sich aufmerksam. Ende September soll das Grundkonzept zur Bewerbung stehen, so Heller, der sich selbstironisch als einen „Erst-Täter“ beschreibt, dem es zuvorderst darum geht, „unbestimmte Ideen in scharfe Bilder“ zu bringen. Erst-Täter, so will es das Strafgesetzbuch, haben Anspruch auf ein zumindest mildes Vorurteil. Daniela Barth