„Nur ein stumpfes, dumpfes Weiter-so“

Grüne geißeln den Koalitionsvertrag als „phantasielos“. Heftige Kritik an der Besetzung des Finanzressorts

„Dass eine SPD so etwas mitmacht, darüber kann man sich bloß wundern“

taz ■ Bei einer Pressekonferenz zum Abschlusses der Koalitionsverhandlungen sparten die Grünen gestern nicht mit harscher Kritik an dem zwischen SPD und CDU ausgehandelten Vertragsentwurf. Als „phantasielos, strukturkonservativ und altbaksch“ bezeichnete die grüne Fraktionsvorsitzende Karoline Linnert den Entwurf. Landesvorsitzender Klaus Möhle sprach von einer „erschütternden Ignoranz“ gegenüber den finanziellen Verhältnissen: „Auf die Frage, wie man aus dem Tal der Tränen kommt, gibt die Koalition keine andere Antwort als ein stumpfes, dumpfes ‚Weiter so’“. Die Landesvorstandssprecherin Silvia Schön geißelte insbesondere die sozialdemokratischen Verhandler: „Die SPD steht da als leerer Anzug: Prinzipien- und ideenlos ist von der sogenannten Neujustierung des Sanierungsprogramms nichts geblieben.“

Was das Personal der neuen Regierung betrifft, so kritisierten die Grünen heftig die mutmaßliche Besetzung des Finanzressorts mit Ulrich Nußbaum. Der zeichne sich bisher weder durch politische noch durch finanzpolitsche Qualitäten aus. Dass die CDU der SPD und Nußbaum dieses Ressort überlasse, sei, so Möhle, „parteitaktisch klug, für das Bundesland aber völlig verantwortungslos“. Linnert forderte, den Bürgern, den anderen Ländern und dem Bund „endlich zu sagen, wie es finanzpolitisch aussieht“. Stattdessen vermuten die Grünen hinter dem Stichwort „alternative Finanzierungsvarianten“ aus dem Koalitionsvertrag „neue Mogeleien“. Linnert: „Die Gesellschaften nehmen Kredite auf, die bei der Berechnung der Zins-Steuer-Quote nicht auftauchen. Das ist Betrug.“

Inhaltlich nahmen die Grünen hauptsächlich an der Familienpolitik, den Vorschlägen zur Stadtentwicklung und den sozialpolitischen Beschlüssen Anstoß: „Die unrealistische Vorgabe, bis 2005 einen verfassungskonformen Haushalt aufzustellen, hält für ein maßloses Sparprogramm zu Lasten der Schwachen her“, empörte sich Linnert. Erstmals werde der Sozialhilfeetat nicht mehr mit einer geringeren Sparquote als die anderen Politikbereiche belegt. „Dass eine SPD so etwas mitmacht, darüber kann man sich bloß wundern.“

Familien mit Kindern seien die Verlierer des Koalitionsvertrages, so Linnert. Alle Verbesserungen, sowohl eine Zweitkraft in den Kindergärten als auch die von der CDU versprochene Beitragsfreiheit im dritten Jahr stünden unter Finanzierungsvorbehalt. „Deshalb sind all die schönen Worte über qualitativ hochwertige und bedarfsgerechte Betreuungsangebote nur Schall und Rauch.“

Silvia Schön bezeichnete auch das SPD-Programm ‚Vitale Stadt’ als „zynisch“ angesichts der Schließung von Freibädern und der Zerstörung weiterer Naherholungsflächen. „Wir begrüßen die Erschließung der Überseestadt, aber auf eine Fläche von dieser Größe muss man sich dann auch konzentrieren“.

Zur neuen und alten Rolle der Grünen sagte Möhle: „Wir haben uns auf Opposition eingestellt.“ Einen Schmusekurs mit der SPD werde es nicht geben – auch nicht mit Blick auf Scherfs für 2005 angekündigten Rücktritt. Innerhalb der nächsten Monate wolle man „deutlich machen, dass es andere Wege gibt, Bremen zu sanieren“, so Möhle. Linnert wiederholte die grüne Forderung, die Investitionsquote deutlich zu senken: „Den Grundsatz, dass jede investierte Mark eine gute Mark ist, muss man in Frage stellen.“ Elke Heyduck