Billigflieger zwischen Hoffen und Bangen

Experten prophezeien den meisten Billigfluglinien bis 2007 das Aus. Trotzdem wagen sich immer neue auf die Startbahn. Als Ausgangsbasis bietet sich der Hunsrücker Flughafen Hahn an. Auch Amadeus Flugdienst fliegt von dort – nach Sylt und Berlin

vom Hahn KLAUS-PETER KLINGELSCHMITT

Noch ein Billigflieger: Amadeus Flugdienst heißt die Airline, die ihren Verwaltungssitz soeben von Worms auf den Flughafen Hahn im Hunsrück verlegt hat. Seit Ende April fliegt sie von dort aus „Linie“ nach Westerland auf Sylt, gestern verkündete Geschäftsführer Jörg Kunkel die Eröffnung einer weiteren Strecke: nach Berlin-Tempelhof.

Das ist auch für den Flughafen ein Erfolg, der einmal Dependance für den europäischen Großflughafen Rhein-Main in Frankfurt werden soll. Die ehemalige Base der US-Airforce und – früher noch – der deutschen Luftwaffe galt bislang vor allem als Heimatflughafen des irischen Billigflug-Marktführers Ryanair in Deutschland. Aber sie hat noch Kapazitäten frei. 3,5 Millionen Fluggäste wurden 2003 auf dem Hahn abgefertigt, der von einer Tochter der Frankfurter Flughafengesellschaft Fraport AG betrieben und von den Bundesländern Rheinland-Pfalz und Hessen auch mit Beteiligungen in Höhe von jeweils rund 50 Millionen Euro massiv unterstützt wird. 4 Millionen können es pro Jahr werden – dann folgt die nächste Ausbaustufe. Amadeus Flugdienst ist „willkommen“, sagt Andreas Helfer, Geschäftsführer der Betreibergesellschaft Flughafen Frankfurt-Hahn.

So ganz billig ist das Vergnügen nicht, in einer kleinen Maschine mit nur dreißig Sitzplätzen bei vollem Service und mit Beinfreiheit in die Kapitale zu fliegen. Die preisgünstigsten Plätze sind für 99 Euro zu buchen, die teuersten in der First Class kosten 299 Euro. „Wir wollen Politiker aus den südwestlichen Bundesländern und aus Luxemburg und Entscheidungsträger aus der Wirtschaft als Kunden“, so Kunkel. Und dieser Zielgruppe könne man „nicht die Holzklasse anbieten“.

Fraglich ist allerdings, wie lange sich reine Billigflieger wie Amadeus oder Germanwings, die börsennotierte easyJet oder Wizz Air gegenüber den traditionellen Airlines wie Lufthansa oder Air France, die ebenfalls immer günstigere Flüge anbieten, halten können. In der Branche heißt es, dass den gnadenlosen Kampf um Marktanteile nur der zurzeit größte Low-Cost-Carrier, die irische Ryanair, überleben kann. Und vielleicht noch eine zweite Airline. Hahn-Geschäftsführer Helfer tippt auf easyJet. Die Kapitaldecke bei den meisten Billigfluglinien ist extrem dünn. Bis auf Ryanair, der der Schweizer Luftverkehrsexperte Lucio Pompeo als einziger Billigfluglinie schon im Sommer 2003 in einer Studie im Auftrag der Unternehmensberatungsgesellschaft McKinsey eine Zukunft über das Jahr 2007 hinaus vorhergesagt hat, schreiben alle laufend Verluste. Erst gestern kritisierte der Vizepräsident des US-Flugzeugherstellers Boeing, Michael Blair, „Überkapazitäten bei den Fluggesellschaften weltweit“. Und dass die Aussage von EasyJet-Chef Ray Webster, „angesichts der immer härteren Konkurrenz“ müsse man auch mit den Erwartungen für das laufende Jahr vorsichtig sein, die Aktie in London gestern um mehr als ein Fünftel auf 230 Pence einbrechen ließ, zeigt, wie schnell auch die Anleger bereit sind, lieber auf andere Pferde zu setzen.

Wer überleben will, muss mit harten Bandagen kämpfen, vor allem nach der Erweiterung der Europäischen Union im Osten. Ungarn etwa ist ein von Billigfluglinien heiß umkämpfter Markt. Die britische Wizz Air gründete in London extra eine Tochtergesellschaft in ungarischem Eigentum. Air Hungaria soll Ungarn für Wizz Air öffnen – vor allem den zentral gelegenen Budapester Flughafen Ferihegy. Dort allerdings wollen auch andere Billigfluglinien schon bald starten und landen. Eine slowakische Billigfluggesellschaft ist schon dort. Für 22 Euro fliegt sie Ungarn nach England (London) – und Engländer nach Ungarn. Und auch Germanwings bietet bereits tägliche Verbindungen zwischen Budapest und den deutschen Flughäfen Köln und Stuttgart an. Ryanair verhandelt noch. Allerdings nicht mit der Flughafenbetreibergesellschaft in Budapest, sondern – getreu der Firmenphilosophie – mit einem Regionalflughafen in Debrecen im Osten des Landes.

An Luftschlachten dieser Dimension wird sich Amadeus nicht beteiligen können. Die kleine Gesellschaft will in der Nische überleben. Sylt exklusiv und ein bisschen Berlin. Vielleicht ernährt das ja die 12 fest angestellten Mitarbeiter der Airline über das Schicksalsjahr 2007 hinaus.