wir lassen lesen
: Ein Roman aus der Welt des Skisports

Hermann Maier steht Pate

„Alle Ereignisse sowie die Charaktere der Handlung sind frei erfunden …“, so steht es gleich am Anfang von „Zweiter Durchgang“, dem Roman des Wiener Journalisten und Schriftstellers Gerald Schmickl. Ein Hinweis, mit dem sich Autoren gerne gegen unliebsame juristische Interventionen absichern, mit dem sie ihr Werk aber zugleich zuverlässig um einen Reiz reicher machen. Denn nichts verführt stärker, den Roman eben doch als eine Art Schlüsselroman zu lesen. So fragt sich der Leser bei „Zweiter Durchgang“ beispielsweise, ob für die Zeichnung von Ferdinand, dem „Kraftmonster“, nicht der Skistar Hermann Maier Pate stand.

Nach einem Boom an Fußballromanen hat Schmickl das literarische Sportgenre um eine Facette bereichert: den Skisport. Erzählt wird von der österreichischen Skiläuferin Lea Vogel, die bislang einen Sieg nach dem anderen einfuhr, nun aber plötzlich in eine Krise geraten ist. Wieso, weiß niemand so recht. Ihre Erfolgs- und nunmehrige Leidensgeschichte hören wir von Henryk Sieber, einem Sportreporter. Der Erzähler ist nach einem gescheiterten Kunstgeschichtsstudium eher zufällig in dieses Metier gerutscht, in dem, wie wir erfahren, ganz gern getrunken wird, weshalb es um seine Leber nicht mehr zum Besten steht.

Die dritte wichtige Person in diesem Roman ist Phil Aurora, ein Energie- und Mentaltrainer. Aus dem Zusammenprall der verschiedenen Welten – hier die raue des Sports und der Medien, dort die luftige der Esoterik –versteht der Autor komische Funken zu schlagen. Phil Aurora predigt den Sportlern unter anderem, sie sollten beim Aufwärmen ihre Arme nicht nach vorn, sondern nach hinten kreisen lassen, um den Lungenmeridian nicht zu blockieren. So sehr seine Theorien fremd und eigenartig wirken, nicht zuletzt weil sie mit heiligem Ernst vorgetragen werden, zeichnet der Autor ihn doch nicht bloß als seltsamen Kauz (das auch!), sondern als einen, der durchaus etwas Wahres zu sagen hat.

Denn als Lea ihn zu ihrem persönlichen Coach nimmt, klappt es plötzlich wieder mit den Siegen, allerdings erst, nachdem er sie wieder „in die Unabhängigkeit entlassen“ hat. Vorausgegangen sind eine Hetzkampagne in den Medien, die auch Sportreporter Sieber nicht ungeschoren lässt, und der Ausschluss Leas durch die als recht sture und stupide Herren gezeichneten Verantwortlichen des österreichischen Skiverbands („Jede Ähnlichkeit mit lebenden oder toten Personen ist rein zufällig!“). Obwohl die Skiläuferin danach für Chile siegt, hat der Autor die Szenerie ganz auf Österreich und den österreichischen Skiverband begrenzt. Der Leser muss freilich mit ihr vertraut sein, um alle Feinheiten und verspielten Andeutungen genießen zu können. WENZEL MÜLLER

Gerald Schmickl: „Zweiter Durchgang“. Deuticke Verlag, Wien 2003, 189 Seiten, 17,90 €