Wahrscheinlich „zufällig“ geschehen

Erste Anklagen im Berliner Bankenskandal: Ex-Bankchef und Ex-Vorstand weisen Vorwurf der Bilanzfälschung zurück

BERLIN taz ■ Nein, schuldig fühlen sie sich im Gerichtssaal nicht. Im Gegenteil. „Unsinn“, „aus der Luft gegriffen“ und „falsch“ seien die Vorwürfe der Staatsanwaltschaft; und in der Öffentlichkeit würden sie „vorverurteilt“. So die Sicht der beiden ehemaligen Vorstände der Landesbank Berlin (LBB), einer Tochtergesellschaft der Bankgesellschaft Berlin. Sie müssen sich seit gestern vor dem Berliner Landgericht wegen Bilanzfälschung verantworten. Es ist der erste große Strafprozess im Berliner Bankenskandal, der den Landeshaushalt der finanzschwachen Hauptstadt Milliarden kostete.

Konkret geht es in dem Prozess um die LBB-Jahresabschlüsse von 1997 bis 1999. Die Staatsanwaltschaft wirft dem ehemaligen Chef der Bank, Ulf-Wilhelm D., und dem ehemaligen Vorstandsmitglied Jochen Z. vor, für fehlende Angaben in den Bilanzen verantwortlich zu sein. Dabei geht es um so genannte Freistellungserklärungen, mit denen Verantwortliche von LBB-Immobilienfonds von jeglicher Haftung ausgenommen wurden. Die von D. und Z. unterzeichneten Freistellungen hätten laut Staatsanwaltschaft zu Eventualverbindlichkeiten in Höhe von insgesamt bis zu 7,7 Milliarden Euro führen können – und hätten deshalb in der Bilanz berücksichtigt werden müssen.

Die Angeklagten wiesen die Vorwürfe gestern vehement zurück. Ihr Argument: die Freistellungserklärungen hätten gar nicht in der Bilanz auftauchen müssen, da die Bank durch andere Vereinbarungen ohnehin für die Fondsrisiken hafte. Eine quasi doppelte Berücksichtigung würde die Bilanz verfälschen, so ein Anwalt. Zudem hätten sie, so die Angeklagten, die Freistellungserklärungen niemals bewusst unter Verschluss gehalten. Im Übrigen hätten sie den Erklärungen keine besondere Bedeutung beigemessen und angenommen, dass diese nach Unterzeichnung den üblichen hausinternen Verwaltungsweg nehmen würden. Dass aber keine der Erklärungen den Weg in die Bilanz fand – dies sei wahrscheinlich „zufällig“ geschehen, so die Angeklagten.

Ab 26. Mai müssen sich die Angeklagten in einem weiteren Prozess wegen Untreue verantworten. Durch ihr Verhalten soll ein Schaden von 900.000 Euro entstanden sein, den „eigennützigen Vorteil“ beziffert die Staatsanwaltschaft mit rund 224.000 Euro. Weitere Strafverfahren in Sachen Bankgesellschaft – etwa gegen den ehemaligen Bankvorstand und CDU-Fraktionschef Klaus Landowsky oder den Ex-Bankchef Wolfgang Rupf – sind derzeit noch nicht in Sicht.

Die Bankgesellschaft war unter anderem durch umstrittene Immobilienfondsgeschäfte an den Rand des Ruins geraten, konnte nur durch Milliardenhilfen vor der Pleite bewahrt werden. Die EU-Kommission fordert mittlerweile den Verkauf des Geldinstituts. RICHARD ROTHER