Parteifreunde im Dauerclinch

Im SPD-internen Kampf um die Kandidatur von Danial Ilkhanipour erreicht das Niveau einen neuen Tiefpunkt: Der Bundestagsabgeordnete Kahrs wird in die Nähe rechter Kapp-Putschisten gerückt

VON MARCO CARINI

Die Schlammschlacht unter den Genossen geht weiter. In der aktuellen Ausgabe seiner Quartalszeitschrift Wir in Stellingen attackiert der gleichnamige, in Eimsbüttel gelegene SPD-Distrikt massiv den Eimsbüttler SPD-Kandidaten Danial Ilkhanipour – und den Hamburger SPD-Bundestagsabgeordneten Johannes Kahrs gleich mit. Unter der Überschrift „Plakate kleben für einen Betrüger?“ kündigen die Stellinger an, es werde „kaum einen ehrlichen Sozialdemokraten“ geben, „der bereit wäre, für Ilkhanipour am Stand zu stehen und Plakate zu kleben“. Für einen Kandidaten, „der sich seine Nominierung hinterlistig erschlichen“ habe, heißt es weiter, sei „nicht gut Wahlkampf zu machen“.

Offen kokettieren die Stellinger Sozialdemokraten damit, dass der sich seit jeher fest in SPD-Hand befindliche Bundestags-Wahlkreis Eimsbüttel diesmal an die Grünen fallen könnte. Eine Woche bevor der Eimsbüttler Kreisvorstand über sein weiteres Vorgehen im „Fall Ilkhanipour“ entscheiden will, sind damit die Gräben tiefer denn je.

Als wahren Schuldigen für die innerparteiliche Wahlniederlage des Eimsbütteler Bundestagsabgeordneten Niels Annen nennt die Publikation den SPD-Vorsitzenden von Hamburg-Mitte und Bundestagsabgeordneten Johannes Kahrs. Der habe viele seiner ehemaligen Mitarbeiter und Praktikanten in die Eimsbüttler SPD eingeschleust und damit den Kreis unterwandert.

Das „System Kahrs“, heißt es da, sei ein „Loyalitäts- und Karriereverein“, der sich nicht an der Organisation demokratischer Parteien orientiere, sondern an „den Regeln“ studentischer Verbindungen. Dabei verweist das Blatt auf Kahrs’ eigene Mitgliedschaft im „Wingolfbund“, einer christlichen, nicht schlagenden Verbindung, deren Hamburger Vorsitzender der SPD-Mann von 1989 bis 1991 war und der er noch heute angehört.

Die Stellinger Sozialdemokraten rücken ihren Parteifreund damit in die Nähe der rechtsgerichteten Kapp-Putschisten, die 1920 versucht hatten, die demokratisch gewählte Reichsregierung zu stürzen: Da Teile des Wingolfbundes die Putschisten unterstützten und die Verbindung sich bis heute nicht davon distanziere stelle sie sich – und Kahrs gleich mit – „in die Tradition der Kapp-Putschisten“, lautet die Schlussfolgerung der Genossen.

In der Hamburger SPD-Zentrale ist man „entsetzt“ über die persönlichen Anfeindungen des SPD-Distrikts gegen den eigenen Bundestagsabgeordneten. Parteichef Ingo Egloff ordnete am Mittwoch an, die Internetausgabe der Stellinger Publikation unverzüglich aus dem Netz zu nehmen. „Auseinandersetzungen, die auf die persönliche Integrität Einzelner abzielen, verbieten sich“, mahnt Parteisprecher Bülent Ciflik.

Kahrs selbst nannte die Publikation gegenüber der taz einen „verleumderischen Artikel“, mit dem „haltlose Verdächtigungen in die Welt gesetzt würden. Ilkhanipour sei „nicht durch finstere Mächte“ zu seinem Mandat gekommen, „alle Vorwürfe der Manipulation“ hätten sich „als haltlos“ erwiesen. Nun würden aus Reihen der Eimsbüttler SPD „abwegige und grenzwertige“ Behauptungen in die Welt gesetzt, so Kahrs,„um vom eigenen Versagen abzulenken“. Die Behauptung, er habe die Strippen gezogen, überschreite „jede Form von politischer Kultur und Anstand“.

Während die Stellinger Genossen mit ihrer Verschwörungstheorie in der eigenen Partei offiziell wenig Rückhalt finden, kolportieren zahlreiche Genossen, Kahrs habe die Kandidatur seines ehemaligen Zöglings Ilkhanipours zwar nicht eingefädelt – aber er hätte sie sehr wohl verhindern können. Kahrs hält dagegen: „Mein Einfluss auf diesen Mann, der vor viereinhalb Jahren mal für mich gearbeitet hat, wird offensichtlich überschätzt. Ilkhanipour kämpft den Kampf seines Lebens um ein Bundestagsmandat – wie hätte ich ihn davon abhalten können?“