Kollateralschäden im Agrarrat

Frankreich verhindert Argrarreform vorerst per Vetodrohung. Chirac lässt sich den Beistand für Schröder im Irakkonflikt in Milch, Getreide und Kühen zurückzahlen

BERLIN taz ■ Wenn früher Frankreich im Agrarrat blockierte, dann hielt Deutschland schon mal kräftig dagegen. Doch dieses Mal gab es bereits im Vorfeld Absprachen zwischen den beiden Staatslenkern Gerhard Schröder und Jacques Chirac. Reformbefürworter Deutschland wollte Reformgegner Frankreich vorzeitig einbinden. Von einer Einigung über die Agrarreform war voreilig die Rede. Doch am Donnerstagabend ließ der französische Staatspräsident die Verhandlungen über die große Agrarreform platzen. Bereits zum zweiten Mal müssen sich nun die Agrarminister um eine Woche vertagen.

Während Deutschland der größte Nettozahler im Agrarsektor ist, ist Frankreich der größte Nettoempfänger an Subventionen. Da lohnt es sich, um jeden Euro zu feilschen. Deshalb drohte Chirac gar mit dem „Luxemburger Veto“: Damit kann ein Staat eine Mehrheitsentscheidung verhindern, wenn seine „lebenswichtigen Interessen“ gefährdet sind. Das ist selbst für EU-Verhältnisse sehr kühn. Vor allem die von EU-Agrarkommissar Franz Fischler angestrebte Senkung der Abnahmepreise für Getreide und Milch ging Chirac zu weit. Frankreich ist größter Getreide- und zweitgrößter Milcherzeuger.

Zwar gibt es im jüngsten Kompromissvorschlag des Agrarkommissars ein paar Regelungen, die auch Deutschland nicht so passen – aber das sind nur Feinheiten: Fischler wie Landwirtschaftsministerin Künast geht es bei der Agrarreform vor allem darum, die Subventionen von der Produktion der Bauern zu entkoppeln und in Direktzahlungen umzuwandeln. Damit wollen beide die Überproduktion in den Griff bekommen und mehr Markt durchsetzen. Ein schwieriger Spagat, den Künast und Schröder da machen. Während also Künast im Agrarrat Fischler den Rücken stärkt, muss Schröder nun auf dem EU-Gipfel Chirac weiter entgegenkommen.

Noch liegt dem Agrarrat – auch dank der grünen Ministerin – ein Kompromiss Fischlers vor, der die geplante Reform in weiten Teilen voranbrächte. Entsprechend gibt sich Künasts Sprecher weiter zweckoptimistisch: Trotz Frankreichs Vetodrohung stehe man einer „grundlegenden Reform“ sehr nahe.

Die Frage ist nur, wie viel Frankreich noch herauszockt. Chirac hat mit seinem Eklat im Donnerstag versucht, das Agrarthema offiziell auf den EU-Gipfel zu hieven. Das ist ihm zwar misslungen. Sicher wird er aber über Schröder noch einmal einen Nachschlag durchsetzen wollen. Der ist dem Franzosen seit dessen Beistand im Irakkonflikt was schuldig. „Das lässt Chirac sich jetzt honorieren“, urteilt der grüne EU-Agrarexperte Friedrich Graefe zu Baringdorf.

MATTHIAS URBACH