„Das Ziel war, ihn persönlich fertig zu machen“

Der Chef des Aufbau-Verlags, Bernd F. Lunkewitz, hält es für möglich, dass sein Freund Michel Friedman Opfer einer Verschwörung wurde

taz: Herr Lunkewitz, Sie haben sich öffentlich vor Michel Friedman gestellt. Denken Sie, dass er zu Unrecht beschuldigt wird?

Bernd F. Lunkewitz: Ich weiß das nicht. Das kann aber meiner Ansicht nach niemand mehr wissen. Wenn er fortgesetzt eine schwere Straftat begangen hätte, wäre es ein Leichtes gewesen, ihn auf frischer Tat zu ertappen.

Wie das?

Michel Friedman ist ständig von mindestens vier Beamten des Bundeskriminalamtes umgeben. Die hätten leicht zugreifen können. Das ist aber nicht geschehen, sondern man hat eine Aktion gestartet, die extrem übertrieben ist: Es haben sich fast ein Dutzend Leute ins Flugzeug gesetzt, sind mit Spürhunden von Berlin nach Frankfurt geflogen, haben dort frühmorgens seine Wohnung und sein Büro durchsucht, dort drei leere Päckchen gefunden. Für eine solche Aktion habe ich wenig Verständnis – um das mal zu untertreiben.

Warum?

Normalerweise würde sich doch weder ein Drogenfahnder noch ein Staatsanwalt dafür interessieren. Der Konsum von Kokain ist nicht strafbar. Deshalb ist ein solches Ermittlungsverfahren missbräuchlich und nur gemacht, um den Menschen Friedman zu treffen, und zwar persönlich.

Stecken Interessierte dahinter?

Ich kann mir das vorstellen. Michel Friedman hat sich im Laufe der letzten Jahre – durch seine Sendung, durch seine öffentlichen Äußerungen, durch seine konsequente und sehr kompetente Art, jüdische Interessen zu vertreten – viele Feinde in diesem Land gemacht.

Ist es ein Komplott?

Ich weiß es nicht. Wenn es so wichtig gewesen wäre, einen User zu überführen, dann hätte man ihn doch ohne weiteres auf frischer Tat ertappen können. Ich kann Ihnen an Ihre Türklinke zu Hause eine Kokainlösung schmieren. Kokain wird bekanntlich über die Haut aufgenommen. Und dann weise ich auch Kokainspuren in Ihren Haaren nach. Und weise somit nach, dass Sie ein willentlicher Langzeitkonsument sind – obwohl es nicht stimmt.

„Bild“ lässt die Friedman-Verteidiger zu Wort kommen – erstaunlich?

Nachdem man Tage lang jeden Dreck über ihn ausgeschüttet hat! Dann zu sagen, man darf ihn nicht vorverurteilen, das ist mehr als Zynismus. Gerade die Bild-Zeitung, die sehr genüsslich darüber berichtet hat, dass in diesem Drogenmilieu Zuhälter aus Osteuropa annoncieren – die haben vergessen, dass drei Seiten weiter in derselben Bild-Zeitung Telefonsexanzeigen stehen, mit denen jeden Tag große Summen verdient werden. Das ist Heuchelei.

Denken Sie, es wäre anders, wenn es sich bei Friedman um den Vizechef einer evangelischen Laienorganisation handeln würde?

Wenn es Ihnen oder mir passiert wäre, hätte sich kein Staatsanwalt und kein Drogenfahnder in Bewegung gesetzt. Das wäre denen völlig egal. Wenn Sie alle Leute festnehmen und verfolgen wollen, die Drogen konsumieren, dann haben Sie viel zu tun. Dafür brauchen Sie nicht nach Frankfurt zu fliegen. Friedman hat nichts gemacht, was strafrechtlich relevant ist. Die angeblichen Huren, die angeblich gesagt haben, dass er ihnen Kokain angeboten hat, haben auch gleich dazu gesagt, dass sie es nicht genommen haben. Mit anderen Worten: Die Weitergabe von Kokain hat nie stattgefunden. Die Staatsanwaltschaft wusste das und hat trotzdem das Ermittlungsverfahren in Gang gesetzt. Meiner Ansicht nach mit dem klaren Ziel, alles sofort an die Presse zu geben und Friedman persönlich fertig zu machen.

Man könnte Friedman vorhalten, er, der immer scharf nachfragt, ist abgetaucht und beantwortet keine Fragen.

Michel Friedman hat in allen seinen Diskussionen und Auseinandersetzungen nie seinen Gegner gefragt: Haben Sie Ihre Frau betrogen? Waren Sie im Puff? Sondern er hat immer gefragt: Sind Sie für die Rentenreform oder dagegen? Sind Sie für den Krieg oder dagegen? Und das sind Dinge, die nicht diskreditiert sind – selbst wenn er Kokain geschnupft haben sollte. Aber seine Gegner pflegen nicht diese Art der geistigen Auseinandersetzung, sondern versuchen, ihn mit Schmutz tot zu machen.

Glauben Sie, dass er wiederkommt?

Ich hoffe es. Ich denke, dass eine Stimme wie Friedman in diesem Land ganz wichtig ist. Ich bin der Meinung: Wenn jemand Kokain nimmt, sollte er nicht Autofahren oder schweres Räumgerät bewegen. Aber eine Fernsehsendung moderieren, das wird nicht sehr beeinträchtigt, obwohl es natürlich nicht in Ordnung ist. Trotzdem: Wenn Friedman am Ende freigesprochen wird, dann muss die ARD ihm auch seine Sendung wieder ermöglichen. Alles andere würde beweisen, dass es nur darum gegangen ist, einen Unbequemen auszuschalten. INTERVIEW: STEFAN KUZMANY