Krumme Dinger mit den Stangen

Die niedersächsischen Spargelbauern sind auf der Palme: Derzeit bieten Händler in mehreren Städten offenbar falsch etikettiertes Dumping-Gemüse an. Der Verbraucher, sagen sie, merke den Unterschied erst auf dem Teller

von Kai Schöneberg

Das Leben ist eine Misch-Kalkulation: Während Autofahrer derzeit über die Spritkosten wüten, können sich Spargelesser an Dumpingpreisen für das Gemüse erfreuen. Darüber wüten die niedersächsischen Spargelbauern. „So ein Gelumpe kommt bei uns auf den Kompost“, explodierte gestern Dietrich Paul, der oberste Chef der niedersächischen Spargelanbauer.

In der Zeitung hatte er einen Gemüsehändler auf dem Bremer Wochenmarkt entdeckt, der Spargel für 1,80 Euro pro Kilogramm anbietet. In Hannover wurde bereits Dumping-Spargel für 1,50 Euro gesichtet. Die gute Niedersachsen-Stange kann in tristen Erntejahren auch mal auf 12 Euro kommen. Die Stangen auf dem Foto seien „minderwertige Ware, die man gar nicht anbieten dürfte“, ätzte Spargelbauer Paul. Alles Kroppzeug, findet er: „Hohl, krumm, trocken und berostet.“

Nicht überall, wo Niedersachsen drauf stehe, sei auch das niedersächsische Supergemüse drin. „Oft wird billige Importware kurzerhand umgepackt und eingedeutscht“, ärgert sich Paul. Der Händler aus Bremen sei bekannt für solche Praktiken. Schäumend forderte er die Veterinärämter auf, „massiv“ einzuschreiten. Paul: „Diese Machenschaften dubioser Händler müssen verboten werden. Wozu haben wir die EU-Norm?“ Die sieht vor, dass eine Spargelstange nicht länger als 22 Zentimeter sein darf. Bei der Handelsklasse I darf das Gemüse 16 bis 26 Millimeter dick sein, bei der zweiten Sorte 12 bis 16 Millimeter. Derzeit kostet ein Kilo „echter“ Niedersachsen-Spargel zwischen fünf und sieben Euro, die Handelsklasse II etwa die Hälfte.

„Jedes Jahr das gleiche Spiel“, sagt Wolfgang Jahner von der niedersächischen Landwirtschaftskammer. Gerade zu Anfang der Saison würden Händler Billig-Spargel aus Polen oder Griechenland gerne „germanisieren“. Das sei zwar Betrug, aber den zuständigen Behörden fehle eben Kontroll-Personal. Auch der Verbraucher merke den Unterschied meist erst beim Schälen oder auf dem Teller. Gute Stangen erkenne man am frischen Aussehen, der Schnittstelle und der Öffnung des Kopfes. „Wenn ich nur krumme Dinger habe, ist das Handelsklasse II“, sagt Jahner. Auch für die Spargelvereinigung sei das Überangebot an Spargel so früh in der Saison „problematisch“, sagt Bauer Paul. Immerhin werden in Niedersachsen, dem größten Anbaugebiet in Deutschland, auf rund 4.200 Hektar Spargel kultiviert. Der warme Sommer im vergangenen Jahr und mildes Wetter im Februar haben zu einer üppigen Ernte geführt. Durch das Überangebot fahren die Bauern geringere Margen ein. Immerhin ist das Ende des Spargel-Krachs klar absehbar: An Johanni, dem 23. Juni, wird traditionell der letzte Spargel gestochen.