Jukebox

Rock ist eine Katze, der auf den Schwanz getreten wird

Man kann alles erklären: Wieso sich die schweren Schiffe im Wasser halten und wieso die „Titanic“ trotzdem untergegangen ist. Wie das d’Hondt’sche Sitzverteilungsverfahren funktioniert und wieso die Deutschen lieber konservativ sind und sich bei Kanzlerfragen ungern umgewöhnen wollen, kann man alles erklären, aber …

Wir verstehen nichts. Wenn man jedoch Glück hat, wird man verstanden, von einer Macht, die unsere Sehnsüchte kennt und weiß um unsere Qual. Die ein Spiegel ist, in dem wir uns sehen, der nicht die kleinste Falte weichzeichnet und dennoch alles aufhebt, uns in den Himmel katapultiert, die auch die Hölle sein kann. Möglicherweise ist das eine wie das andere. Ist in dem Moment egal. Wir sprechen also von Rockmusik. Weil wir uns weiter in den Festwochen zu deren 50. Geburtstag befinden, wird dazu alles gesagt und geschrieben, in der aktuellen Ausgabe zimmert der Rolling Stone noch einmal die Bestenliste der „Unsterblichen“ fest, 1.) The Beatles, 2.) Bob Dylan, 3.) Elvis Presley. Hatte man so schon geahnt. Alles wurde erklärt, und erklärt wurde wieder: nichts.

Dabei würde man ihm gern mal begegnen, dem Rock – You don’t want to walk and talk about Jesus, you just want to see His face. Der sich oft im Unscheinbaren verhüllt. Dead Moon aus Portland zum Beispiel, deren Platten man nicht unbedingt haben muss. Schrundiger Garagenrock, gequälte Gitarren, und Fred Cole singt wie eine beleidigte Katze, der man auf den Schwanz getreten hat. Viele Platten haben sie gemacht, trotzig alle in Mono, und sie geben eine Menge Konzerte, mit schrundigem Garagenrock, gequälten Gitarren, und Cole singt immer noch wie eine Katze, der auf den Schwanz getreten wurde, eher noch schartiger, das alles, und doch findet dort eine Transsubstantiation statt (ja, Rock ’n’ Roll ist was Katholisches), die man gar nicht erklären kann. Wirklich: Wer Rock begreifen will, muss Dead Moon sehen. Live. Wen aber so ein Konzert kalt lässt (sie spielen am Donnerstag, 13. Mai, im Maria), braucht es mit Rock, egal in welchen Aggregatzuständen, im weiteren gar nicht mehr versuchen. THOMAS MAUCH