Peace is Pop

Vision-Parade in Bremen: FriedliebendeLuder-Lader wummern über den Osterdeich

taz ■ Warum sich die Neuauflage der Vision-Parade dieses Jahr den „ewigen Frieden“ auf die Fahnen geschrieben hat, blieb bis zum Ende des vierstündigen Rave-Spektakels am Samstagnachmittag unklar. Vielleicht als Präventivschutzmaßnahme für die im letzten Sommer so überdüngten Vorgärten der Anwohner? Dass aus „Live 4 Love“ ein Jahr später „Eternal Peace“ wurde, änderte wenig an der eigentlichen Vision der aus dem gesamten Bundesgebiet nach Bremen gepilgerten Techno-Fans – nach Angaben der Polizei sollen es über 120.000 gewesen sein: „Wir wollen einfach Party machen“, sagte Sven aus Rothenburg ob der Tauber. Nach Friede und Freude kommt im nächsten Jahr wohl die Eierkuchen-Parade, denn mit politischer Ambition hatte der Aufmarsch der Techno-Jünger am Osterdeich nur mehr wenig zu tun.

Minimal bekleidete Anhänger der gepflegten Tanzmusik zogen aus, um sich zuckend fortzubewegen und um zu feiern. Vom passiven Mitwipper bis zum geübten GoGo-Hasen war hier jede und jeder angetreten, der über einen bunten Farbtopf und ein widerstandsfähiges Trommelfell verfügte. Auf und um die Musikwagen wurden skurrile Choreographien vorgeführt, wobei man mit einem Platz auf einem der dreißig Trucks – für 20 bis 50 Euro inklusive Alk war der zu haben –wohl einen deutlichen Vorteil hatte: „Fuck me, I‘m famous“ klärten T-Shirts auf. „Irgendwie eine Mischung aus Fasching und Tabledance“, fand Marie, die sich das bunte Treiben aus einiger Entfernung anguckte. Neonfarbene Flokati-Jacken, Lackbikinis und Make-Ups, die den Künstlern der Madame Lothar Travestie-Show noch alle Ehre gemacht hätten, ließen die Balkons der Anlieger zu begehrten Logenplätzen werden.

Nachdem die Parade vom Start an der Lüneburgerstraße bis zum Hansa-Carré gezogen war, pilgerten die Partysanen abends weiter Richtung Aladin/Tivoli-Komplex, wo sie vehement bis in die Morgenstunden weiterfeierten. Beliebtes Areal zum „Chillen“ war auch die Bürgerweide – es soll dort, wie aus gut unterrichteten Kreisen zu erfahren war, auch zu Drogenkonsum gekommen sein.

Die Polizei hatte die Besucher der Vision Parade vorab höflich, aber „dringend“ darum gebeten, „übermäßigen Alkoholkonsum zu vermeiden und jegliche Einnahme von Drogen zu unterlassen“ – es werde verstärkte Verkehrskontrollen unter dem Motto „Drogen im Straßenverkehr“ geben. „Die erhoffte präventive Wirkung blieb jedoch aus“, zog ein Polizeisprecher säuerlich Bilanz. Wegen des Verdachts auf Drogen hätten etwa dreißig Blutentnahmen angeordnet werden müssen. Während der Parade selbst mussten sich „aufgrund übermäßigen Alkohol- und Drogenkonsums“ fast 60 junge Menschen in die Fürsorge der Rettungsdienste begeben, sieben Feiernde kamen ins Krankenhaus. Sarah Weinknecht