Präsident „für Massaker verantwortlich“

UN-Untersuchungskommission spricht von Massakern an unschuldigen Zivilisten in der Elfenbeinküste „unter Verantwortung der höchsten staatlichen Autoritäten“. Heftige Debatte in Abidjan über mögliche Konsequenzen

BERLIN taz ■ Die Regierung der Elfenbeinküste kommt unter internationalen Druck. Eine UN-Untersuchungskommission, die die Vorgänge rund um die gewaltsam niedergeschlagene Friedensdemonstration in Abidjan am 25. März untersucht hat, kommt in ihrem Bericht zum Schluss, dass die Staatsspitze um Präsident Laurent Gbagbo direkt mitverantwortlich für Massaker an mindestens 120 Zivilisten ist. Der Bericht, der der taz vorliegt und in diesen Tagen veröffentlicht werden soll, verlangt nun eine internationale Untersuchung aller Menschenrechtsverletzungen in der Elfenbeinküste seit Beginn des Bürgerkrieges 2002 und die Erweiterung des Mandats der UN-Blauhelmtruppe im Land auf den Schutz von Zeugen und Überlebenden.

Am 25. März hatten Sicherheitskräfte und regierungstreue „patriotische“ Milizen eine Demonstration von Oppositionsparteien zugunsten der geltenden Friedensverträge blutig verhindert und danach tagelang Oppositionelle gejagt. Dabei kamen nach unabhängigen Schätzungen rund 200 Menschen ums Leben. Oppositionspolitiker sprachen sogar von bis zu 500, die Regierung gab 37 Tote zu.

Die UN-Kommission bilanziert nun „mindestens 120 Tote, 274 Verletzte und 20 Verschwundene“ und betont, dies seien vorläufige Zahlen. Die Existenz zweier Massengräber sei wahrscheinlich, habe aber noch nicht verifiziert werden können. „Was am 25. und 26. März geschah, war die blinde Tötung unschuldiger Zivilisten“, so die UN-Ermittler.

Am Tag der Demonstration hätten Hubschrauber der Armee, zum Teil von weißen Söldnern geflogen, Tränengaseinsätze gegen Demonstranten geflogen. Als die Demonstranten flohen, seien die Hubschrauber ihnen im Tiefflug gefolgt, damit per Mobiltelefon aus den Hubschraubern Sicherheitskräfte und Milizen zum richtigen Ort dirigiert werden konnten.

Zu tausenden seien Uniformierte und parallele Milizionäre auf Jeeps und Lastwagen in die Slums gefahren, um Oppositionelle zu jagen. „Viele der Morde fanden nicht auf der Straße statt, sondern in den Häusern angeblicher Demonstranten oder sogar unbeteiligter Zivilisten, die von den Sicherheitskräften einfach wegen ihres Namens, ihrer Herkunft oder ihrer Gruppenzugehörigkeit verfolgt wurden“, heißt es im UN-Bericht. Die Täter seien „Spezialeinheiten und parallele Kräfte unter Führung und Verantwortung der höchsten staatlichen Autoritäten“.

Eine wesentliche Rolle hätten die „Patrioten“ gespielt – die paramilitärischen Jugendmilizen in Abidjan, die den Friedensprozess ablehnen und Gbagbo unterstützen. Die UN-Ermittler nennen diese Milizen „parallele Kräfte“ und erklären, sie seien „von den Sicherheitskräften finanziert und ausgerüstet“ und hätten „eine separate Kommando- und Kontrollstruktur“. Ab dem 23. März seien sie nachts in Oppositionsvierteln in Häuser eingedrungen, hätten gestohlen und gefoltert. „Die Unterstützung für die parallelen Kräfte kommt aus dem Präsidentenpalast“, sagen die UN-Ermittler.

So deutlich hat die UNO noch nie Präsident Gbabgo für systematische Übergriffe seiner bewaffneten Anhänger verantwortlich gemacht. In der Elfenbeinküste tobt nun die Debatte über die Konsequenzen. Von UN-Sanktionen gegen den Präsidenten bis hin zu einem Verfahren vor dem Internationalen Strafgerichtshof scheint alles möglich. Gbagbos Anhänger wittern hingegen, wie immer bei Vorwürfen gegen sie, ein „Komplott“.

DOMINIC JOHNSON