Der Papst auf unsicherem Terrain

Bei seinem Besuch in der westbosnischen Stadt Banja Luka ruft Johannes Paul II. die Menschen zu Versöhnung auf. Doch viele Serben wollen davon nichts hören. Stattdessen fordern sie vom Papst eine Entschuldigung für die Verbrechen der Ustascha

aus Banja Luka ERICH RATHFELDER

Die Botschaft von Papst Johannes Paul II. heißt Frieden. Bei seiner Ankunft in der westbosnischen Stadt Banja Luka hatten diese Worte gestern jedoch einen besonderen Klang. Hier sind die Folgen der ethnischen Säuberungen von 1992 und der damit verbundenen Verbrechen immer noch spürbar. Der Papst rief die Völker des Balkans dazu auf, „die gegenseitigen Wunden zu heilen und sich zu versöhnen“.

Doch in der von orthodoxen Serben dominierten Stadt befand sich der Papst auf unsicherem Terrain. Nicht wegen der angedrohten Anschläge – die gesamte rund 250.000 Einwohner zählende Stadt war hermetisch abgeriegelt –, sondern wegen der unversöhnlichen Haltung vieler serbischer Bewohner.

Man kann darüber streiten, ob der Platz seines Auftritts richtig gewählt war. Denn der Ort Petricevac ist auch für die serbische Geschichte von Bedeutung. Hier sollen im Zweiten Weltkrieg 2.000 orthodoxe Christen von kroatischen Ustascha-Truppen ermordet worden sein. Dass bei diesem Verbrechen einige katholische Mönche eine Rolle spielten, haben die Serben nicht vergessen. Serbische Extremisten zerstörten das katholische Kloster im Mai 1995.

Die einstmals 120.000 Katholiken zählende Diözese Banja Luka hat seit dem letzten Krieg die Hälfte ihrer Mitglieder verloren, 204 katholische Kirchen oder Einrichtungen gingen im letzten Krieg in Flammen auf. Von Versöhnungswillen ist bei Serben nichts zu spüren. „Der Papst ist hier nicht erwünscht“, sagt der 64-jährige Zoran Nikolic. Er kritisiert die Autoritäten der serbischen Teilrepublik. „Um diese Reise zu finanzieren, erhalten wir nur die Hälfte der Löhne und Pensionen in diesem Monat.“ Und dass der 1896 geborene katholische Pädagoge Ivan Merz selig gesprochen wird, ist für ihn unverständlich. „Der Mann hat bei dem Massaker an den Serben persönlich mitgewirkt.“

An der Behauptung ist nichts wahr. Merz starb 32-jährig lange vor dem Zweiten Weltkrieg. Und die Gehälter und Pensionen wurden nicht gekürzt, sondern lediglich die Hälfte jener auf fünf Monate aufgelaufenen Rückstände ausgezahlt, die der Staat seinen Bürgern schuldet. Diese Gerüchte aber übernehmen viele Serben unkritisch. Sie fordern vom Papst, sich für die Verbrechen der Ustascha zu entschuldigen. Die eigenen Verbrechen im letzten Krieg werden geleugnet.

Der Pfarrer Mladen Majkic betreut seit 20 Jahren den Ort Kozarac, eine vornehmlich von Muslimen und Katholiken bewohnte Gemeinde 40 Kilometer westlich von Banja Luka. 1992 brachen hier Einheiten der jugoslawischen Armee und der Roten Barette ein, brannten die Häuser und Moscheen nieder. Wer von den 15.000 Bewohnern nicht fliehen konnte, wurde in die Konzentrationslager Manjaca, Keraterm oder Omarska gebracht. Tausende starben.

Nach dem Krieg wurde Kozarac mit deutscher Hilfe wieder aufgebaut. Neben der alten orthodoxen Kirche am Ortseingang steht seit 1996 eine neue Kirche. Sie wurde gebaut, um zu zeigen, dass das Dorf nun serbisch sei. Der Pfarrer hat alles miterlebt, auch die Aktion von Extremisten 2002, als serbische Jugendliche versuchten, einige neu aufgebaute Häuser der Muslime zu zerstören. Doch lehnt er alle Schuld der Serben ab.

Die Worte der Versöhnung des Papstes verhallen, wenn die Menschen nicht bereit sind, Brücken zu bauen. Dies erklärte der Bischof Banja Lukas, Franjo Komarica, schon vor dem Besuch. Der Menschenrechtler, der viele internationale Delegationen wegen ihrer unentschiedenen Haltung gegenüber dem Genozid an Muslimen und Kroaten im Krieg 1992–1995 kritisiert hat, brachte den Papst nach Banja Luka. Er hofft, dass dessen „Botschaft der Versöhnung in viele Herzen dringt“. Eines hat der Papst auf jeden Fall erreicht: Die im Kommunismus beschlagnahmten Kirchengüter der Katholiken, Orthodoxen, Muslime und Juden werden zurückgegeben.