Lula fordert Öffnung der nordamerikanischen Märkte

Beim Besuch der USA versucht Brasiliens Staatschef, seinen wirtschaftspolitischen Spielraum zu erweitern. Er hofft auf Handel und Investitionen

PORTO ALEGRE taz ■ Celso Amorim war begeistert: Von einem „historischen“ Treffen sprach Brasiliens Außenminister, der sonst nicht zu überschwänglichen Wertungen neigt. George W. Bush nahm sich Zeit für seinen Gast Luiz Inácio Lula da Silva – genau zwei Stunden und 40 Minuten. Der brasilianische Präsident war am Freitag mit zehn Ministern nach Washington gereist.

Mit dem Sozialisten Lula empfing Bush erstmals nach dem Irakkrieg einen überzeugten Verfechter des Multilateralismus. Den US-Präsidenten interessierten denn auch besonders die Bestrebungen Brasiliens, die Beziehungen zu Russland, Indien, China und Südafrika auszubauen. Doch im Zentrum Washingtons steht die Freihandelszone von Alaska bis Feuerland (FTAA). Ab 2005 erhoffen sich die US-Multis ungehinderten Zugang zum lateinamerikanischen Markt, vor allem bei Dienstleistungen. Im Wahlkampf 2002 hatte Lula die FTAA in der bisher geplanten Form als „Annexion“ bezeichnet, jedoch auch klar gemacht, dass er nicht aus den Verhandlungen aussteigen wird.

Seither hat sich in der Sache wenig bewegt. Ohne besseren Zugang zum nordamerikanischen Markt, vor allem für Agrarprodukte, sei eine Einigung über den „Schutz“ von US-Investitionen, Eigentumsrechte oder eine weitere Öffnung bei Dienstleistungen unmöglich, heißt es aus dem brasilianischen Außenministerium. Dass sich Lula und Bush nun verpflichteten, zu einem erfolgreichen Abschluss der FTAA-Verhandlungen bis Januar 2005 „zusammenzuarbeiten“, ist daher eher als symbolische Geste zu werten.

Denn für Lula ebenso wie für seinen argentinischen Kollegen Néstor Kirchner hat eine größere Integration der südamerikanischen Länder oberste Priorität – angefangen bei der Wiederbelebung der Zollunion Mercosur. Davon könnten auch US-Unternehmen profitieren, etwa beim Ausbau der Infrastruktur, lockte Lula in Washington.

Mit seiner aktiven Außenpolitik geht Lula neue Wege. Als „Ausdruck und strukturierendes Element einer neuen Entwicklungskonzeption“ definiert sie sein Berater Marco Aurélio Garcia. Durch sein selbstbewusstes Auftreten im Norden und das Schmieden von Süd-Süd-Allianzen will der Präsident die Voraussetzungen schaffen, um aus dem neoliberalen Korsett auszubrechen, das seine Wirtschaftspolitik noch immer bestimmt.

Anders sehen das George W. Bush und der Chef der Internationalen Währungsfonds, Horst Köhler: Sie hoffen, Lula könne für seine Nachbarn zum Vorbild werden, wie sich marktwirtschaftliche Orthodoxie und sozialer Fortschritt verbinden lassen. GERHARD DILGER