Viel Gesprächsstoff für das Treffen mit George W. Bush

Drei Tage vor dem Gipfel zwischen Europäischer Union und USA dürfte Washington die Diskussion über die neue EU-Sicherheitsstrategie aufmerksam verfolgt haben

BRÜSSEL taz ■ Wenn Kommissionspräsident Romano Prodi und der amtierende Ratschef, der griechische Ministerpräsident Kostas Simitis, an diesem Mittwoch nach Washington reisen, ist für Gesprächsstoff gesorgt. Beim Gipfel in Porto Karras einigten sich die Europäer am Wochenende auf Grundzüge einer eigenständigen Sicherheitsstrategie. In den USA, die einerseits mehr Eigenständigkeit von der EU fordern, andererseits europäische Alleingänge nicht schätzen, ist der Text sicher sorgfältig studiert worden.

Eine kleine Meldung aus dem griechischen Gipfelort dürfte die Amerikaner in der Überzeugung bestärken, dass Europa zwar auf der Weltbühne mitspielen will, dafür aber nicht den Preis zu zahlen bereit ist: Die groß angekündigte Zusage, im kommenden Jahr bis zu einer Milliarde Euro in den Weltgesundheitsfonds einzuzahlen, wurde in letzter Minute aus der Gipfelerklärung gestrichen. Großbritannien und Frankreich hatten sich für das Projekt stark gemacht, Deutschland und die Niederlande sollen angesichts leerer Staatskassen ihr Veto eingelegt haben.

US-Präsident Bush hatte vor kurzem angekündigt, den amerikanischen Beitrag auf eine Milliarde Dollar im Jahr aufzustocken – vorausgesetzt, die Europäer ziehen in gleicher Höhe mit. Auch das Strategiepapier setzt sich gleich im ersten Kapitel ausführlich mit den verheerenden Seuchen Aids, Tuberkulose und Malaria auseinander, die pro Jahr etwa 6 Millionen Opfer fordern und in vielen Regionen die soziale Stabilität gefährden. Da die EU aber nun Zahlungszusagen auf die Geberkonferenz am 16. Juli in Paris verschoben hat, wirken die schriftlich zusammengefassten Erkenntnisse wie ein Papiertiger.

Ohne viel Federlesens einigten sich die Gipfelteilnehmer auf Jean-Claude Trichet als neuen Chef der Europäischen Zentralbank. Erst letzte Woche sprach ihn ein Pariser Gericht vom Vorwurf der Bilanzfälschung frei. Dieses Entgegenkommen gegenüber Frankreich war umso überraschender, als die Franzosen erst am Donnerstag die Agrarverhandlungen hatten platzen lassen und Jacques Chirac in Porto Karras sogar mit dem so genannten „Luxemburger Veto“ drohte. Es ermöglicht einem Land, jede Einigung, die eigentlich mit qualifizierter Mehrheit getroffen wird, zu blockieren, falls seine zentralen nationalen Interessen berührt sind. Zwar konnte sich Jacques Chirac nicht mit dem Vorschlag durchsetzen, die gescheiterte Agrarrunde beim Gipfel als Chefsache durchzufechten. Doch schien ihm niemand nachzutragen, wie ungeniert er seine Bauern hofiert.

Für die Asylgesetzgebung wollen die Regierungen bis Ende diesen Jahres einheitliche Mindestnormen beschließen. Bundeskanzler Schröder nutzte dieses Ergebnis für ein Ultimatum an die CDU: Wenn es gelinge, sich zunächst innerhalb Deutschlands auf ein neues Gesetz zu einigen, könnte das „ein Stück Modell für Europa“ sein. Die Gipfelteilnehmer einigten sich außerdem auf eine einheitliche Visa-Datenbank und Finanzhilfen für den Grenzschutz und Rückführungsmaßnahmen. Dieses Thema wird im kommenden Halbjahr unter italienischer Präsidentschaft sicher ganz oben auf der Tagesordnung bleiben. Rom drängt schon lange auf einen Lastenausgleich beim Schutz der Außengrenzen, da die unübersichtliche Küstenzone der Halbinsel bevorzugtes Ziel für Flüchtlingsschiffe ist.

Das zweite große Projekt der italienischen Ratspräsidentschaft, die Neuauflage der „Römischen Verträge“, mit denen 1958 die Union gegründet wurde, ist dagegen in Frage gestellt. Da die Regierungskonferenz ihre Verhandlungen über die EU-Verfassung erst im Oktober aufnehmen wird, dürfte man sie kaum vor Ablauf der italienischen Präsidentschaft fertig gestellt haben.

DANIELA WEINGÄRTNER