Menschenhandel wird schärfer geahndet

Rot-Grün will Schleusern, Zuhältern und Frauenhändlern auf den Leib rücken. Problem: Opfer müssen wagen, die Polizei einzuschalten, und riskieren Abschiebung. Kritik vom Juristinnenbund: Gesetz wird kaum etwas ändern

BERLIN taz ■ Die rot-grüne Regierungskoalition will Schleuser, Zuhälter und sonstige Ausbeuter von gehandelten Menschen mit einer Änderung des Strafrechts stärker bekämpfen. Besonders die Schleusung von Frauen und Männern als Prostitutierte und auch der Handel mit anderen Illegalen, die unter unmenschlichen Bedingungen arbeiten, sollen schärfer geahndet werden. Einen entsprechenden Gesetzentwurf bringt die Koalition heute in den Bundestag ein.

Keiner der Täter soll sich in Zukunft darauf herausreden können, dass er nicht gewusst habe, welchen Verhältnissen die Frauen, die er anwirbt, schleust oder unterbringt, später ausgesetzt sein werden. Schon wer die Absicht hat, Menschen etwa in die Zwangsprostitution zu bringen, macht sich nach dem Entwurf in Zukunft strafbar. Bisher hieß es, dass man „Kenntnis“ der Lage haben müsse, in die man die Person bringen wolle. Oft behaupten Zuhälter vor Gericht auch, den Entschluss zur Prostitution habe das Opfer eigenständig gefällt, damit habe es die ausbeuterischen Bedingungen in Kauf genommen. Dieser Ausrede soll mit weiteren Klarstellungen im Gesetzestext begegnet werden. Zudem soll der Heiratshandel schärfer geahndet werden. Ehefrauen, die aus dem Katalog bestellt werden, haben jahrelang kein eigenständiges Aufenthaltsrecht in Deutschland und sind deshalb erpressbar. Die Nötigung „zur Eingehung der Ehe“ soll härter bestraft werden.

Darüber hinaus wird auch der Menschenhandel, der zur „Ausbeutung der Arbeitskraft“ führt, genauer definiert. Wer Illegale nach Deutschland schleusen will, die hier zu deutlich schlechteren Bedingungen als üblich arbeiten müssen, wird bestraft. Bisher mussten die Arbeitsbedingungen als „Sklaverei oder Leibeigenschaft“ gelten.

Das Problem: Damit solche Fälle ebenso wie die der Zwangsprostituierten verfolgt werden können, müssen die Opfer überhaupt wagen, die Polizei einzuschalten. Sie riskieren damit nicht nur die Abschiebung, sondern auch, dass sie selbst strafrechtlich verfolgt werden. Diese Hürde will die Koalition senken, indem sie der Staatsanwaltschaft freistellt, ob sie ein eventuelles Vergehen verfolgt. „Damit kommen wir gerade beim Frauenhandel, der ja ein lukratives und relativ risikoarmes Verbrechen ist, ein gutes Stück weg vom Täterschutz und hin zum Opferschutz“, wirbt die Grünen-Abgeordnete Irmingard Schewe-Gerigk für den Entwurf.

Die Koalition will mit dem Entwurf ihrer Pflicht nachkommen, verschiedene internationale Abkommen über Menschenhandel in deutsches Recht zu überführen. Unabhängige Juristinnen kritisieren, dass die Abkommen mit dem Gesetzentwurf nicht angemessen umgesetzt werden. Ursula Nelles vom Deutschen Juristinnenbund beanstandet etwa, dass nur bestraft werden soll, wer sich durch den Menschenhandel einen „Vermögensvorteil“ verspricht. Damit entgingen alle der Strafverfolgung, die von ihrer Zwangsgattin oder -prostituierten sexuelle und andere Dienstleistungen erwarten – statt Geld. Der Juristinnenbund schlägt vor, statt „Vermögensvorteil“ schlicht „Vorteil“ ins Gesetz zu schreiben.

Der Juristinnenbund bezweifelt, dass der gegenwärtige Gesetzentwurf an der derzeitigen Praxis etwas ändert. Schließlich komme es darauf an, dass die gehandelten Menschen als ZeugInnen zur Verfügung stehen. Dass die Staatsanwaltschaft von der Verfolgung ihrer Vergehen absehen kann, ist laut Nelles als Sicherheit zu wenig. Die Staatsanwaltschaft müsse dazu verpflichtet werden, so ihr Vorschlag. Der Abschiebung entginge die Zeugin allerdings auch in diesem Fall nicht. HEIDE OESTREICH