Tödliche Überfahrt

Erneut Flüchtlingsschiff vor der Küste Tunesiens gesunken. 50 Opfer tot geborgen, 160 vermisst. Italiens Lega Nord startet Hasskampagne

ROM taz ■ Nach dem Kentern eines afrikanischen Flüchtlingsschiffes im Mittelmeer ist auf der süditalienischen Insel Lampedusa ein Boot mit weiteren afrikanischen Einwanderern angekommen. Die rund hundert Männer aus Nord- und Zentralafrika wurden am Samstag im Flüchtlingslager der Insel untergebracht, wie die Behörden mitteilten. Bei der Suche nach den zahlreichen Vermissten, die vor der Küste Tunesiens mit ihrem Boot gesunken waren, wurden knapp 50 Opfer tot geborgen. 160 weitere wurden am Sonntag noch vermisst. 41 Menschen hatten das Unglück überlebt.

Schon Anfang vergangener Woche hatte das Kentern eines Bootes rund 30 Meilen vor Lampedusa etwa 70 Opfer gefordert. Die Boote gehören zu der Flotille des Elends, die seit Anfang Juni regelmäßig die Insel ansteuert. Die Passagiere stammen aus Ländern südlich der Sahara genauso wie aus Maghreb-Staaten, Sri Lanka, Bangladesh, Pakistan oder Irak. Zu Preisen von bis 2.000 Dollar stechen sie von der afrikanischen Küste in See. Die eingesetzten Kähne – oft kleine Fischerboote – sind oft in erbärmlichem Zustand und meist völlig überladen. Die Zahl der allein im Juni auf Lampedusa Angelandeten beläuft sich auf knapp 3.000 Menschen.

In der italienischen Regierung führt das Flüchtlingsdrama zu wachsenden Spannungen. Umberto Bossi von der Lega Nord verschärft von Tag zu Tag seine populistische Hasskampagne gegen die Migranten, ruft nach „null Toleranz“ und fordert, die Marine solle mit „Kannonaden“ die ankommenden Boote stoppen. Auf die Frage nach den Toten erwiderte er, Reisen seien nun mal gefährlich. Am Wochenende drohten prominente Lega-Politiker mit einer Regierungskrise, wenn es nicht zu einer radikalen Wende im Kampf gegen die „Immigranten-Invasion“ komme. Zu der geforderten Wende zeigen sich aber die anderen Regierungsparteien nicht bereit. Innenminister Pisanu unterstrich, die Flüchtlinge seien „Schiffbrüchige, die wir retten müssen“. MICHAEL BRAUN

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