Gesundheitswettbewerb ohne Grenzen

Hamburger Krankenhaustag: Kliniken, Ärzte und Kassen rüsten sich für neuen ressortübergreifenden Wettbewerb. Integrierte Versorgungskonzepte sollen ambulante und stationäre Angebote miteinander verbinden

Von Marco Carini

Die Grenzen sollen fallen. Sind die ambulante und die stationäre Versorgung eines Erkrankten heute noch zwei scharf voneinander getrennte Bereiche – verschieden organisiert und unterschiedlich finanziert – so sollen die Grenzziehungen in Zukunft verschwimmen. „Integrierte Versorgung“ und „medizinische Versorgungszentren“ heißen die zentralen Begriffspaare der Gesundheitsreform, die Kosten reduzieren, den Wettbewerb zwischen Ärzten und Kliniken stärken und den Patienten abgestimmte Behandlungspfade aufzeigen sollen (siehe Kasten).

Wie diese Theorie das Hamburger Gesundheitssystem in der Praxis verändern könnte, darüber diskutierten sich in dieser Woche auf dem fünften „Hamburger Krankenhaustag“ die Experten die Köpfe heiß. Klar ist: Der forcierte Umbau des Gesundheitssystems soll medizinische Leistungen effektiver und preisgünstiger machen – der Kuchen, um den sich Ärzte und Kliniken balgen, wird kleiner.

Prof. Fokko ter Haseborg, Vorsitzender der Hamburgischen Krankenhausgesellschaft (HKG), dem Dachverband der 43 Hamburger Kliniken, betont vor allem die Chancen der Integrationskonzepte für Kliniken und Patienten. Die integrierte Versorgung mache „endlich eine Behandlung aus einer Hand möglich: von der Diagnostik über die stationäre oder ambulante Krankenhausbehandlung bis hin zur anschließenden Reha-Maßnahme“. Das spare „Doppeluntersuchungen, Wartezeiten und auch Geld“, prognostiziert der Mediziner und fügt hinzu: „Patienten und Versicherte werden die Gewinner sein.“

Um die geplante „Rundumversorgung“ der Erkrankten sicherzustellen, müssten „Krankenhäuser, niedergelassene Ärzte und weitere Leistungsanbieter zukünfig stärker kooperieren“. Wachstumschancen für die Krankenhäuser sieht ter Haseborg vor allem bei den geplanten medizinischen Versorgungszentren: Die Kliniken mit „ihrem Fundus an Management- und Verwaltungserfahrung“ seien „geborene Betreiber“ solcher Einrichtungen, in denen Fachärzte sich fernab der Mühsal eines eigenen Praxisbetriebes auf „das medizinische Kerngeschäft konzentrieren“ könnten.

Klar ist, dass die neuen integrativen Angebote zu Lasten der bestehenden Versorgungsstrukturen gehen – das Gesamtbudget wird eher schmaler. Deshalb teilen längst nicht alle Experten die optimistischen Einschätzungen des HKG-Chefs. Dr. Leonard Hansen, Vizevorsitzender der kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), warnt vor „einem ruinösen Verdrängungswettbewerb“ zwischen Ärzten und Kliniken. Auch Prof. Norbert Klusen, Vorstandsvorsitzender der Techniker Krankenkasse, glaubt, dass „nicht alle durchkommen werden“. Ein Wettbewerb zum Wohle der Patienten: „Niemand weiß, warum es im Krankenhaus immer beschissenes Essen und selbst bei Terminvereinbarungen lange Warteschlangen gibt. Je mehr Wettbewerb es gibt, desto weniger werden Patienten sich das gefallen lassen“, so Kluge.

Doch die Erkrankten tragen auch die Risiken des Wettbewerbs. Gesundheitsstaatsrat Dietrich Wersich (CDU), selbst Mediziner, warnt etwa davor, dass die Liberalisierung des Gesundheitssystems perspektivisch auch Krankenhausbedarfspläne überflüssig machen könnte. Dann drohe die Gefahr, dass es „in den ärmeren Stadtteilen keine gute Gesundheitsversorgung mehr gibt“. Und das, findet Wersich, „müssen wir verhindern“.