Klassen im Elchtest

Am Montag beginnen die landesweiten Vergleichsarbeiten der Klassen zwei und zehn. Ziel ist die Qualitätssicherung der Schulen. Kritiker befürchten ein Ranking der SchülerInnen und Schulen

VON SABINE AM ORDE

Nationale Bildungsstandards, so heißt das neue Wundermittel der deutschen Bildungspolitik. Statt an engen Lehrplänen sollen sich Schulen, LehrerInnen und SchülerInnen künftig daran orientieren, welche klar definierten Fähigkeiten Kinder und Jugendliche in bestimmten Klassen beherrschen sollen – egal ob sie in Berlin, Brandenburg oder Bayern leben. Überprüft werden sollen diese durch verpflichtende Vergleichsarbeiten; diese stehen in der kommenden Woche in Berlin erstmals auf dem Programm.

Konkret heißt das: Am Montag werden alle 32.000 Berliner Zehntklässler – egal welche Schule sie besuchen – maximal drei Stunden lang über einer identischen Deutscharbeit brüten. Am Dienstag folgt die erste Fremdsprache, einige Tage später Mathematik. Danach sind die 26.000 GrundschülerInnen der Klasse zwei dran: Bei ihnen werden Kenntnisse in Deutsch und Mathematik abgefragt. Zeitgleich wird auch in Bayern und Brandenburg getestet.

Ziel des Unterfangens sei die Qualitätssicherung der Schulen, heißt es in der Verwaltung von Bildungssenator Klaus Böger (SPD). „Lehrer, Eltern und Schüler sollen wissen, wo ihre Schule steht“, sagt Bögers Sprecherin Rita Hermanns, die die Vergleichsarbeiten als „diagnostische Tests“ begriffen wissen will. „Es geht eben auch um Erkenntnisse, wie man die einzelnen Schüler fördern kann“, sagt sie. „Um Bewertungskriterien geht es nicht.“

Warum die Vergleichsarbeiten dann ausgerechnet in Klasse zehn geschrieben werden, wo es für die SchülerInnen um den Abschluss oder den Übergang auf das Gymnasium geht, kann Hermanns nicht erklären. Und auch nicht, warum ab 2006 bestandene Vergleichsarbeiten sogar Voraussetzung für einen mittleren Schulabschluss werden sollen.

Der Senat, kritisiert Thomas Isensee, Leiter des Referats Bildungspolitik bei der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), setze mit den Vergleichsarbeiten am falschen Zeitpunkt an: „Als Diagnoseinstrument müssen Vergleichsarbeiten abgekoppelt werden von den Auslesemechanismen der Schule“, sagt er. Sonst funktioniere Qualitätssicherung nicht.

In den Pisa-Siegerländern Finnland und Schweden, wo Bildungsstandards und Vergleichsarbeiten schon lange erfolgreiche Praxis sind, gilt: Die Arbeiten werden nicht an so genannten Scharnierstellen geschrieben, an Stellen also, die für den weiteren Werdegang der SchülerInnen entscheidend sind. Denn dann steht eben doch die Kontrolle der Lernenden im Vordergrund und nicht die des Unterrichts.

„Unter anderen Umständen können Vergleichsarbeiten ein gutes Diagnoseinstrument sein“, meint auch Öczan Mutlu, bildungspolitischer Sprecher der Grünen. Er ist auch strikt dagegen, aus den Ergebnissen der Vergleichsarbeiten eine Rangliste der Schulen zu erstellen, wie es die FDP gefordert hat und auch vom Landeselternausschuss befürwortet wird. „Das hilft den Schulen nicht weiter“, sagt Mutlu. Zudem seien die Ergebnisse allein nicht aussagekräftig genug. Ohne den Hintergrund der SchülerInnen zu berücksichtigen, sind Aussagen über die Qualität der Unterrichts nicht möglich.

Ein Ranking will auch Schulsenator Böger nicht. Zwar werden die Ergebnisse in seiner Verwaltung ausgewertet. Doch den einzelnen Schulen ist es freigestellt, ob sie ihre Ergebnisse veröffentlichen. Dazu ist ein Beschluss der Schulkonferenz notwendig.