Die Bayern pfeifen im Walde

Vor dem heutigen Meisterschaftsgipfel gegen Werder Bremen im Münchner Olympiastadion redet sich der Titelverteidiger aus München die Lage schön und ignoriert sämtliche Fakten. Die lauten: Sechs Punkte und zwölf Tore liegt Werder vorne

AUS MÜNCHEN JOACHIM MÖLTER

Am Donnerstagnachmittag fiel das geplante Gipfeltreffen zwischen Vertretern des FC Bayern München und Werder Bremen aus, Werders Sportdirektor Klaus Allofs hatte abgesagt. „Er wollte lieber bei seiner Mannschaft bleiben“, entschuldigte Horst Zingraf, der Präsident des Bundes Deutscher Fußball-Lehrer, der zu einem Symposium nach München geladen hatte; Thema: „Die Stellung der Trainer im Spannungsfeld des Spitzenfußballs“. Passend dazu war auch Stuttgarts Teammanager Felix Magath in dieses Spannungsfeld geraten. Der wird in München ja schon als Nachfolger von Bayern-Trainer Ottmar Hitzfeld gehandelt, obwohl Manager Uli Hoeneß beteuert, dass Hitzfeld bis zum Ende der Saison 2004/05 bleibt – „wenn nicht etwas Unvorhergesehenes eintritt und Ottmar von sich aus kommt und sagt: Ich will weg.“ Das lässt Raum für Interpretationen, die Referenten Hoeneß und Magath blieben beim Symposium vorsichtshalber auf Distanz, damit nicht spekuliert wird.

Den größten Abstand hielt freilich Klaus Allofs, der mit seiner Mannschaft erst gestern Nachmittag nach München kam. Schade, fand Uli Hoeneß: „Ich dachte, ich könnte ihn heute locker begrüßen, aber anscheinend zeigen sie ja doch Nerven bei Werder.“ Wahrscheinlicher ist, dass Allofs keine Lust hatte, sich live die alte Platte anzuhören, die Hoeneß seit einer Woche wieder auflegt: dass Bremen im Endspurt unter dem Druck des Titelverteidigers zusammenbreche. Dass der FC Bayern den SV Werder am Samstag aus dem Olympiastadion „fegen und niedermachen“ werde. Dass der Südklub dem Nordverein „drei, vier Stück“ mitgeben werde, Tore nämlich. Dass der Rekordmeister am Samstag auf jeden Fall zeigen werde, wer die beste Mannschaft Deutschlands sei. Und so weiter, und ewig so fort. Man kann es nicht mehr hören.

Verständlich, dass Allofs lieber den Tönen lauschte, die seine Spieler in dieser Woche von sich gaben. Sowohl der Brasilianer Ailton als auch der Türke Ümit Davala präsentierten in der Fernsehshow von Stefan Raab Musik-CDs und bewiesen, dass die Bremer derzeit auch außerhalb des Platzes cooler und unterhaltsamer sind als ihre Münchner Kollegen. Uli Hoeneß stürmte zwar mit seinen Äußerungen vehement nach vorne, aber die Spieler bleiben lieber in der Defensive. Verteidiger Thomas Linke beispielsweise übernahm zwar die Worte von Hoeneß, aber nicht den Ton. Im Bayerischen Fernsehen kündigte er am Montag brav an, dass Roy Makaay drei Tore gegen Bremen schießen werde, woraufhin der holländische Stürmer einen Fieberanfall bekam und sich erst einmal zwei Tage erholen musste.

Offenbar haben die Bayern-Profis die Bundesliga-Tabelle mal genauer studiert, sie zweifeln jedenfalls, ob sie das von Hoeneß geforderte „Wegfegen und Niedermachen“ hinkriegen. Angreifer Claudio Pizarro erkannte am Mittwoch: „Das wird sehr schwierig.“ Der angeschlagene Spielmacher Michael Ballack (Kniesehnenreizung und Schienbeinprellung am rechten Bein) sagte: „Wenn wir 1:0 gewinnen, sind wir auch zufrieden.“ Und Jens Jeremies stimmte am Donnerstag zu: „Wichtig ist erst mal, dass wir das Spiel gewinnen.“ Um das Torverhältnis, bei dem Bremen mit zwölf Treffern im Vorteil ist, könne man sich später auch noch kümmern. Wenn Jeremies wieder mal die Tabelle studiert, wird er sehen, dass der nächste Gegner VfB Stuttgart die mit Abstand wenigsten Gegentore aller Klubs bekommen hat. Das wird wieder sehr schwierig, da das Torverhältnis merklich zu verbessern.

Aber beim FC Bayern ignorieren sie derzeit beharrlich alles, was gegen die Titelverteidigung spricht, zum Beispiel die sechs Punkte Rückstand auf Werder. „Sicher ist, dass der FC Bayern die bessere Ausgangsposition hat“, behauptete Jeremies. Und Trainer Ottmar Hitzfeld gab die Trendmeldung ab: „Bei Bremen geht es abwärts und bei uns aufwärts.“ Am Samstag aber geht es bei den Bayern-Profis wohl eher rückwärts. „Wir dürfen nicht unkontrolliert nach vorne rennen und uns Konter einfangen“, mahnte Jeremies. Hitzfeld erinnerte daran, „dass man gegen Bremen immer ein Tor kassieren kann.“ Das klingt schwer danach, dass der FC Bayern am Samstag erst einmal lieber in Deckung geht. Tore schießen können sie ja auch später noch. Nächste Saison zum Beispiel.