Grüne Spuren durch Italien

Mit seinen zwei Prozent Marktanteil an der italienischen Reisebranche ist der Ökotourismus ein Nischenprodukt in der Urlaubshochburg der Deutschen. Für den italienischen Süden ist er jedoch eine Chance für nachhaltige Entwicklung

Spekulanten haben die Küstenregionen aufgekauft und bebaut

VON CARMELA MUDULU

Er sieht aus wie ein afrikanischer Stammeshäuptling. Stolz und erhobenen Hauptes schreitet er mit einem Speer in der Hand durch das Gewühl von Menschen. Er erreicht den Zielort und klingelt. Eine Frau öffnet ihm. Der Afrikaner lächelt ihr zu, holt eine Plastikflasche hervor und reicht sie ihr mit den Worten: „Das haben Sie bei ihrer Reise in der Sahara vergessen.“ Schnitt. Ein Satz erscheint: Respekt. Nie ohne reisen. Die Werbung im italienischen Fernsehen ist vom Centro Turistico Studentesco e Giovanile (CTS). Die Umweltschutz-Organisation setzt sich für nachhaltigen und verantwortungsvollen Tourismus ein. Sie fordert von ihren Kunden, die heimische Bevölkerung und Natur zu respektieren. Sie will, dass die Einheimischen an den Reisen angemessen verdienen.

Verantwortungsvoller Tourismus meint Ökotourismus. „Das Wort Öko wird in Italien oft mit geringer Qualität gleichgesetzt“, erklärt Renata Mirulla von Ecobilancio, der Gesellschaft für Umweltberatung und tragbaren Tourismus in Rom.

Mit seinen zwei Prozent Marktanteil an der italienischen Reisebranche ist der Ökotourismus zwar immer noch ein Nischenprodukt. Doch immer mehr traditionelle Tour-Operators öffnen sich dem neuen Marktsegment. Hinzu kommen Naturschutzorganisationen wie Legambiente oder kleine, neu gegründete Non-Profit-Organisationen und Kooperativen, die ebenfalls ökologische Reisen anbieten. Und zwar außerhalb und in Italien. Denn die negativen Auswirkungen des Tourismus machen sich auch im alten Reiseland Italien bemerkbar. Über 30 Millionen Menschen aus dem Ausland besuchen es pro Jahr; die meisten sind Deutsche.

In der Tat hat der Tourismus einigen Regionen einen gewissen Wohlstand beschert. Der iranische Prinz Aga Khan machte etwa in den 60er-Jahren die Costa Smeralda auf Sardinien weltbekannt. In Porto Cervo baute er eine kleine Touristenstadt mit Boutiquen, Hotels, Bars und Restaurants, die die Reichen der Welt bis heute anzieht. Vom Tourismus in und um Porto Cervo profitiert der ganze Norden der Insel. Doch die Wohnanlagen an den Küstengebieten gehören in der Regel nicht den Einheimischen. Schon früh haben vorausschauende Spekulanten aus dem Ausland oder Italien die Küstenregionen aufgekauft und bebaut. Oft ohne Rücksicht auf die Naturgegebenheiten. Die Sardinnen und Sarden selbst sind Statisten auf der Tourismus-Bühne.

„In Kalabrien oder auf Sizilien gibt es viele Gebiete mit Naturparks, die touristisch nicht erschlossen sind“, meint Renata Mirulla. „Dort besteht die Möglichkeit, einen nachhaltigen Tourismus zu fördern und gleichzeitig die Natur zu schützen.“

Dieses Ziel verfolgt der Tour-Operator Il Vagabondo in Neapel. Er organisiert vor allem Reisen in und um Neapel. Die Touristen werden bei Einheimischen untergebracht und von diesen begleitet. Wert wird auch auf ökologische Transportmittel gelegt. Ein Teil ihrer Einnahmen fließt in ein lokales Weiterentwicklungsprojekt. Denn für sie bedeutet Entwicklung nicht nur, „eine Region in Bezug auf den Tourismus umzustellen und zu verbessern, sondern vor allem, sie für die eigene Bevölkerung lebenswert zu gestalten“.

Der verantwortungsvolle Tourismus zeigt nicht nur das Schöne, sondern auch Probleme. Il Vagabondo organisiert etwa Reisen für SchülerInnen sowie Studentinnen und Studenten, bei denen diese an Unterrichtsprogrammen teilnehmen und sich mit ImmigrantInnen und Leuten aus dem sozialen Bereich und der Wirtschaft treffen.

Ehrliche Infos von den Reiseveranstaltern über den Zielort ist auch eine Forderung der Mitglieder des Verbandes für verantwortungsvollen Tourismus Associazione Italiana turismo responsabile (AITR). Sie haben den Verhaltenskodex „Carta Italia“ für Reisende, Tour-Operators und Gastgemeinden aufgestellt. Demnach sollen die Tour-Operators unter anderem kleine Reisegruppen organisieren, die von Kulturmediatorinnen und -mediatoren geleitet werden sowie ökokompatible Unterkünfte und Restaurants bevorzugen, die etwa an Kläranlagen angeschlossen sind. Gefördert werden soll ein „Tourismus der Begegnung“.

Der Verhaltenskodex steht auf der Internetseite www.solidea.org, dort sind auch alternative Reiseveranstalter in Italien aufgelistet