Beim Prügeln Geld verdienen

Der amerikanische Wrestling-Zirkus auf Station in Oberhausen. Deutschland gilt nach Japan als dritter Markt. Mit John Cena, Torrie Wilson und dem Undertaker kommen drei US-Stars in die Arena

„Die Fans wollen der Realität entfliehen, Happy Violence ist deshalb auch in Kriegszeiten okay“

AUS OBERHAUSENPETER ORTMANN

Ein klein wenig verloren schien der junge Mann, als er durch die Glastür in die Betonhalle unter der Arena in Oberhausen schlenderte. Von weitem ein gewöhnlicher Anblick mit Baseball-Kappe, Basketball-T-Shirt und Turnschuhen, wenn da nicht diese Riesenstahlkette mit Vorhängeschloss um den Hals baumelte.

John Cena (28) ist Ringer und in den USA ein Superstar. Doch an der Olympiade in Athen wird der Champion nicht teilnehmen. Cena ist Wrestler und auf Promotion-Tour. Einst sind die Showringer von den Jahrmärkten ins amerikanische Fernsehen gewandert, heute setzen sie mit Shows und Merchandising Dollar-Milliarden um. Nach Japan ist Deutschland der drittgrößte Markt auf der Welt und für den US Veranstalter „World Wrestling Entertainment“ (WWE) „sehr, sehr wichtig“, sagt Tourmanagerin Wesley Cullen.

„The Big Market outside USA“ wird auch benötigt, denn die Erfolge des sportlichen Entertainments in den Staaten gehen zurück. WWE hat inzwischen seine Vorgänger „World Wrestling Federation“ (WWF) und World Wrestling Championship“ (WCW) aufgekauft und vermarktet jetzt auch deren Film- und Videorechte. Doch darüber will Jan-Erik Westerwelle, der deutsche Vertreter des WWE, nicht gerne reden. Die guten Zeiten mit telegenen Superstars wie Hulk Hogan, Macho King Randy Savage oder dem Ultimate Warrior scheinen vorbei. „Wir wollen nur noch in die Zukunft schauen“, sagt Westerwelle und die liegt eben auch in Japan und Deutschland.

In drei Wochen gibt es den Kampfabend „Passport to Pain“ in der Arena neben dem Centro in Oberhausen. Dann darf auch Ex-Footballer John Cena wieder Gegner verprügeln und dafür Geld kassieren. „Darum geht es mir natürlich“, gibt der Muskelgigant lächelnd zu, der in einer zweiten Karriere als Rapper auftritt. Triumphierend streckt er den riesigen goldenen Champion-Gürtel hoch, der auch ziemlich schwer aussieht. Cena hat gerade den Titel WWE US-Champion errungen und gilt als einer der talentiertesten Wrestler im familiengerechten, nur halb brutalen „SmackDown!-Team“. Das Gewicht des Gürtels macht dem muskelbepackten John natürlich nichts aus. „Homeboy“ ist sein Kampfname, er wird aber auch Gimmick genannt. Ausgesucht hat er sich das einfallslose Image des amerikanischen „Jungen von nebenan“ mit Rapper-Vorhängeschloss nicht selbst. „Das haben die mir von der WWE verpasst, als sie mich das erste Mal gesehen haben“, sagt Cena, der mal einen Kampf von Hulk Hogan im Fernsehen gesehen hat, dann seinen Football-Helm in die Ecke schmiss, direkt in die Muckibude wanderte, um es dem Hulkster gleich zu tun.

Gewalt verherrlichend findet er seinen Sport, der zu 50 Prozent Show ist, nicht. Cena nennt das „Happy Violence“. „Die Fans wollen der Realität entfliehen“, erklärt er. Sie wüssten, das es kontrollierte Gewalt sei und viel Entertainment. Das sei auch in Kriegszeiten okay. Mit Politik hat der Homeboy nichts am Cappi. Wie seinerzeit Marilyn Monroe reiste auch er zu den kämpfenden Truppen im Irak und munterte die Soldaten mit einer kleinen Posing-Show auf. „That was very nice and exciting“, sagt er, mehr nicht. Das seit ein paar Jahren auch Frauen, wie die blonde Torrie Wilson aus Idaho in den Ring steigen und sich verprügeln – auch das ist „very nice and exciting“. Wie Cena weiß auch Ex-Model Wilson, was sich für sie als blonder Engel gehört: „Ich weiß, dass ich im Ring nicht so gut bin wie meine männlichen Kollegen“, sagt sie in einem Interview. So was bringt amerikanische Machos aus dem Häuschen.

In ein paar Jahren hat John Cena genug verdient und will nur noch relaxen. Doch so lange es geht, will sich weiter prügeln. Dass man als Wrestler nicht nur alt aussehen, sondern auch werden kann, beweist Ric Flair, der seit 20 Jahren als „unsportlichster Wrestler aller Zeiten“ immer noch im Geschäft ist. Ein Heroe aus der guten alten Hulk-Hogan-Zeit ist auch in Oberhausen dabei: Mark Calloway ist der Undertaker, ein immer martialisch drein blickender Hüne, der früher einen Sarg hinter sich her zog, wenn er die tobende Halle zur Beerdigungsmusik betrat. Heute gibt er sich etwas gedämpfter, sehr zum Missfallen der Fans aus der ganzen Welt. Die Community im Internet sieht die Karriere des Totengräbers vor dem Ende, doch in Oberhausen soll er dem netten Home-Boy von nebenan noch einmal das Fürchten lehren.