Auf den Sound gekommen

Die Skandinavier rücken an: Bugge Wesseltoft und Eivind Aarset arbeiten elektronisch, das „Baltic Quartett“ schlägt die Brücke zur E-Musik. Allen drei gemeinsam ist der Versuch, den Jazz in die Jetztzeit zu holen

Wo Bugge Wesseltoft ist, ist oben. Wie kein Zweiter steht der Musiker und Produzent derzeit im Mittelpunkt und somit an der Spitze des (europäischen) Jazz. Sein Label Jazzland gilt als eines der stilprägendsten weltweit. Längst wird es in einem Atemzug mit Blue Note, Verve oder ECM genannt. Ähnlich wie letzteres, das in den 70er Jahren einen neuen, „europäischeren“ Wind in den Jazz brachte, zeichnet sich auch Wesseltofts Marke durch einen unbefangenen Umgang mit Traditionen aus.

Das klingt insbesondere bei Wesseltofts eigener Band New Conception Of Jazz durch. Dieser hört man kaum noch Bebop und Cooljazz an, wie der Norweger sie einst studierte. Was sich manifestiert, ist vielmehr ein Verständnis von Jazz, das nicht in akademischen Lehren feststeckt, sondern einer der Grundregeln des Genres folgt: Offenheit. So wird mit allem gespielt, mit klassischen Songstrukturen wie mit Loops, mit Funkgrooves wie mit Folkimpressionen. Groß geschrieben wird aber vor allem der Sound. Und das ist es wohl, was Wesseltofts Erfolg ausmacht. Denn der Klang, sei das nun ein gestrichener Kontrabass oder eine knisternde Sample-Schleife, die Tiefenstruktur, wenn man so mag, erreicht die Leute und spricht sie an. Wesseltoft hat das erkannt und weiß: „Das Wichtige an der Musik ist doch der Aspekt der Kommunikation. Musik hat eine nicht zu unterschätzende Kraft.“

Auch Wesseltofts norwegischer Landsmann Eivind Aarset folgt einer solchen Philosophie. „Ich kann technisch alles spielen“, sagt er, „ich vermeide aber, so zu denken. Ich versuche mich auf etwas zu konzentrieren, das alle erkennen können.“ Und in der Tat vermag Aarset, der lange Zeit mit Nils-Petter Molvaer gespielt hat, mittels einer elektrischen Gitarre und diversen Effektgeräten eine eigentümliche Stimmung zu kreieren, die viel Raum lässt für die eigene Imagination. Ob Hendrix‘sche Gitarrengewitter, elektronische Cut-up-Spielereien oder einfach mal breakbeatiges Gewusel, bei Aarset findet man sich mitten in der Gegenwart wieder.

Während Wesseltoft und Aarset sich ihrem musikalischen Ideal elektronisch nähern, tut es das Baltic Quartet auf rein akustische Weise. Die vier Jazzinternationalisten Petras Vysniauskas, Klaus Kugel, Bobo Stenson und Vladimir Volkov bewegen sich indessen mit ihren Improvisationen zwischen nordischem Folk, Jazz und zeitgenössischer E-Musik auf nicht minder gegenwärtigem Terrain: Ihre „Worldmusic“ ist voller Klang. Und ganz ohne Kitsch. Gerd Bauder

Bugge Wesseltoft und „New Conception Of Jazz“: heute; Eivind Aarset: morgen; „Baltic Quartet“: Mittwoch; jeweils 21 Uhr, Fabrik