Roland verschnupft

Kino-Jubiläen können Recken nicht rühren. Dafür gönnen sich 300 Menschen Bremens Filmjuwel auf dem Markt

„Hierstand ich bei denDreharbeiten, genau hier!“

Roland muss den Dom im Auge behalten, im Auftrag der Bürger: Der kirchlichen Macht gilt es zu trotzen. Und Roland ist einer, den nichts von der Pflicht ablenkt. Auch nicht der Wassertropfen an der Nasenspitze.

Dem Marktplatz gönnt er keinen Blick. Nicht einmal wenn dort, wie am Freitag, zum 30-Jährigen des Kommunal-Kinos Bremens einziger nennenswerter Beitrag zur Filmgeschichte gezeigt wird: Peter Zadeks Ich bin ein Elefant, Madame. Drehort: Bremen. Uraufführung: 17. Oktober 1968 – in Bremen. Hauptdarsteller: sozialrevolutionärer Freiheitsdurst. Heute existiert nur noch eine einzige Kopie. Und die ist im Besitz des Kommunalkinos.

Das Publikum anno 2004: kuschelnde Paare, Mütter mit Töchtern, Abiturienten mit Interesse an Revoluzzerei. Und ein kugelrundes Freundlichkeitswesen, das ruft: „Hier stand ich bei den Dreharbeiten, genau hier.“ Insgesamt hätten die Open-air-Besucher das Kino 46 in Walle zwei mal gefüllt: Gut 300 Menschen froren auf dem Marktplatz.

Milde lächelnd vom Roland ignoriert. Da hat er schon ganz anderes erlebt: trunkene Werder-Feiern, von Urinwolken berauschte Stadtfeste. Und brandschatzende Kirchenfürsten: Erzbischof Albert II ließ das hölzerne Freiheitssymbol 1366 abfackeln. Bremens Bürger reagierten mit der Errichtung einer neuen Ritterfigur. Aus Kalkstein. Prächtiger als die alte. Und mit 5,55 Meter ein Riese zwischen flachen Strohdachhäusern. Heute wirkt der Roland auf der Leinwand majestätischer als in echt. Und ist dort auch noch ohne Gitter zu sehen.

Ironischerweise reiht Zadek aber reichlich Polizisten vor dem Ritter. Dabei setzen gerade die demonstrierenden Pennäler des Films dessen Werk fort. Steht doch auf Rolands Schild: „Vryheit do ik yu openbar“ (Freiheit offenbar ich euch). Der Film-Roland Rull erobert den Marktplatz als Freiraum für seinen Spaß-Anarchismus, malt ein Hakenkreuz an die Bürgerschaft. Die Bürger fühlen sich provoziert wie einst der Bischof. Der Kameramann wird abgewatscht. Vielleicht hätte Roland ja gerne mitgewatscht. Denn ganz so anarchistische Sause ist seine „Vryheit“ nicht. Sondern vom Kaiser verliehen.

Aber Roland watscht nicht. Er bleibt stummer Zeuge, metaphysisch gelassen: Was sind schon 30 Jahre Kommunalkino! Im Juni wird sein 600. Geburtstag begangen. Mit einem zehntägigen Volksfest. Probeweise nimmt er schon mal Kontakt mit dem Wettergott auf. Der schickt einen kräftigen Windstoß. Der Rotzwassertropfen zerstäubt. fis