Ernst macht Spaß

Das Wissenschaftsmagazin „nano“ läuft heute zum 1000. Mal (18.30 Uhr, 3sat) – es setzt, ohne Knalleffekt, auf die schönen Momente des Verstehens

VON CLEMENS NIEDENTHAL

Nano. Das klang 1999, als sich die großen Utopien und die noch größeren Ängste immer mehr ins mikroskopisch Kleine verlagerten, ziemlich modern. Nano ist noch kleiner als Mikro. Und so unsichtbar wie das menschliche Genom oder das Internet. Dinge also, die im gesellschaftlichen Diskurs an Plätze getreten waren, an denen zuvor der Ost-West-Konflikt verhandelt wurde. Oder ein Überschallflugzeug.

Das Präfix Nano mogelte sich zu einer Zeit in unseren Wortschatz, in der die Mikrowelle aus den Küchen verbannt wurde. Der Strahlung wegen. Was so ein Thema ist, zu dem „nano“ an den vergangenen 999 Werktagen einen Beitrag gemacht haben könnte. Heute, am tausendsten Werktag seit dem 1. Dezember 1999, sendet das Wissens- wie Wissenschaftsmagazin seine tausendste Folge – in der es u. a. um die Zahl 1.000 und Zahlen allgemein geht. Und um die Zukunft der Nanotechnologie.

„nano“, im wöchentlichen Wechsel moderiert von Ingolf Baur, Stefan Schulze-Hausmann und Angela Elis, ist zu einer Marke geworden. Neben „Kulturzeit“ vielleicht zur wichtigsten, die 3sat im Programm hat.

Das Maus-Gefühl

Dabei fehlt „nano“ eigentlich, was eine Marke gemeinhin ausmacht: die Reduktion des Komplexen auf leicht verdauliche Sinneinheiten. Wer das sucht, der wird beispielsweise – ebenfalls an jedem Werktag – bei Pro7 fündig. Aiman Abdallah beleuchtet in „Galileo“ die eher marginalen Fragen der menschlichen Existenz. Wie kommt das Pflaumenmus in den Germknödel? Wie ein besonders schwerer Schwertransporter von A nach B?

„Sendung mit der Maus für Erwachsene“ nennt die leitende „nano“-Redakteurin Janka Ahrens das. Dabei lässt sich das Maus-Gefühl aus der Kindheit doch ganz vortrefflich während einer „nano“-Folge imaginieren. Um es mit den Worten von Elisabeth Kalko zu formulieren: „Das sind die schönsten Momente: mit einem Mal das Gefühl zu haben, dass man was verstanden hat.“ Gesagt hat das die Fledermausforscherin in einem „nano“-Beitrag über sich und ihren Forschungsgegenstand.

Die schönen Momente des Verstehens – darum also geht es „nano“. Und um eine Pluralität des zu Verstehenden. Denn in das selbst ernannte „Zukunftsmagazin“ passen Service und Siencefiction. Passt Konkretes über den richtigen Laufschuhkauf und Abstraktes über die neuesten Quantensprünge in der Quantenphysik. Oder über Hicks-Teilchen. Die sind noch viel kleiner als nano.

„Dem Zuschauer begegnen bei uns schon Themen, an denen er zunächst einmal schwer zu beißen hat“, sagt Janka Ahrens, als Molekularbiologin selbst so etwas wie eine personifizierte Schnittstelle aus wenig telegener (Natur-) Wissenschaft und ihrer medialen Präsentation. Mit „nano“ habe man den Anspruch, „ein weites Spektrum an Themen aufzugreifen“ und „ganz selbstverständlich über wissenschaftliche Grundlagenforschung zu berichten“.

Wissenschaftliche Grundlagenforschung, die längst aus den Laboratorien in die Mitte und vor allem die Ängste einer Gesellschaft gewandert ist, deren biologische Existenzbedingungen zur Disposition gestellt scheinen.

Der Bedarf an Orientierungswissen ist dementsprechend groß. Und mit ihm die Nachfrage nach Wissenssendungen wie „W wie Wissen“ (ARD) oder „clever!“ (Sat.1), das an diesem Mittwoch in die zweite Staffel geht. Wo aber an ähnlichen medialen Orten die Wissensgesellschaft immer auch den Bedingungen der Spaßgesellschaft zu folgen hat, wählt „nano“ lieber den Umweg der komplexen Erzählung. Ähnlich macht das vielleicht noch „Quarks und Co.“ im WDR mit Ranga Yogeshwar. Doch wirklich konsequent verzichtet eigentlich nur „nano“ auf den großen Knoff-Hoff-Show-Knalleffekt.

Denn „nano“ macht sich aus komplizierten Sinn- und Lebenszusammenhängen keinen Spaß. Aber es macht Spaß, sich auf den Ernst von „nano“ einzulassen. Und auf seinen gelegentlichen Telekolleg-Charme.