RUMSFELD BLEIBT IM AMT – UND DIE US-REGIERUNG VERANTWORTUNGSLOS
: Entschuldigung reicht nicht

Nun ist Pentagon-Chef Donald Rumsfeld am Wochenende doch nicht zurückgetreten. Drei Lehren gilt es aus seiner Weigerung und seinen Erklärungen während der Anhörung im Kongress zu ziehen. Erstens: Die US-Regierung übernimmt, wenn überhaupt, nur rhetorische Verantwortung. Wenn aber Worte der Wucht von Bildern nur wenig entgegnen können, müssen Taten her. Rumsfeld muss zurücktreten – und der US-Kongress sich notfalls zu einem Amtsenthebungsverfahren durchringen. Der Verteidigungsminister verkörpert wie kein anderer im Bush-Kabinett die arrogante Auffassung, sich im Antiterrorkampf nicht an international vereinbarte Menschenrechtsnormen halten zu müssen. Kaum jemand propagierte die Gefangenenbehandlung im rechtsfreien Raum so vehement wie er. Doch all das wurde von Präsident Bush befürwortet, abgesegnet und wiederholt verteidigt. Rumsfelds Fehler erkennt er allenfalls in der schleppenden Aufklärung des Folterskandals.

Zweitens: Die Einzelfallthese der Bush-Regierung ist als falsch. Rumsfeld, der während der Anhörung am Freitag weiter behauptete, die Misshandlungen seien das Werk irregeleiteter Individuen, leugnet die Erkenntnis seiner eigenen Militärjustiz.

Drittens, die Zeugenaussagen von Rumsfeld führten einmal mehr vor Augen, wie gründlich die US-Regierung an der Kriegsfront im Irak versagt hat. Die Gefängnisse sind das dafür momentan traurigste Beispiel. Für die Unterbringung, Bewachung, Versorgung und Verhöre von zehntausenden Häftlingen sind die US-Streitkräfte völlig unzureichend ausgestattet. Es fehlt an Soldaten, Geld und Training. Die wenigen Militärpolizisten stehen unter erhöhtem Stress. Die Gefahr von Missbrauch steigt. Private Sicherheitsfirmen operieren außerhalb klarer Verantwortungsstrukturen und verschärfen daher die Probleme. Doch der Irakfeldzug war und ist letztlich Bushs gewollter Krieg. Mit dem Rücktritt von Rumsfeld ist es daher nicht getan. Regierungswechsel im Weißen Haus ist der einzige Weg, der unverantwortlichen US-Politik ein Ende zu bereiten. MICHAEL STRECK